Kolumne Goldene Farben und abgründige Gefühle

Es war eine spannende Zeit in Wien um 1900: Die Welt war im Umbruch und alles Dagewesene in Frage gestellt. Auch musikalisch war allerlei im Entstehen. Und mittendrin Komponisten wie Gustav Mahler, Richard Strauss, Arnold Schönberg und Alexander von Zemlinsky.

Im 6. Sinfoniekonzert der Niederrheinischen Sinfoniker wird ein besonderes Juwel dieser Zeit, „Die Seejungfrau“ nach Hans Christian Andersens Märchenerzählung, erklingen. Die österreichische Uraufführung von Strauss’ „Heldenleben“ im Jahr 1902 ermutigte Zemlinsky und seinen Schwager Schönberg, einen eigenen Beitrag zur Programmmusik zu komponieren, und tatsächlich gelangten drei Jahre später „Pelléas und Mélisande“ von Schönberg und „Die Seejungfrau“ von Zemlinsky im selben Konzert zur Uraufführung.

Alexander von Zemlinsky ist eine markante Figur zwischen Jugendstil und Fin-de-siècle, nicht nur als Komponist, sondern auch als Dirigent und Pädagoge. Trotz mustergültiger Karriere konnte das Schicksal ihn nicht vor den großen und kleinen Katastrophen bewahren, die das Leben für ihn bereithielt. Eine davon hieß Alma Schindler, die berühmt-berüchtigte Muse und streitbare Femme fatale der Wiener Kunstwelt. Zemlinsky hatte sie 1900 als Kompositionsschülerin aufgenommen, und eine Liebschaft bahnte sich den Weg. Nach einigem Hin und Her gab Alma Schindler Zemlinsky, der sich heftig in sie verliebt hatte, den Laufpass – für keinen Geringeren als Gustav Mahler.

Die herbe Enttäuschung, die der Komponist davontrug, verfolgte ihn lange Zeit, wenn nicht gar unterschwellig bis ans Lebensende. Neben der Oper „Der Zwerg“ zeugt auch seine sinfonische Fantasie „Die Seejungfrau“ von tragisch unerfüllter Liebe. Zemlinskys Musik lebt von goldenen Farben und Ornamenten des Jugendstils, schillernder Orchestration und von den abgründigen Gefühlen einer Endzeit – eigentlich eine perfekte Mischung für einen Liebestrank.

Als Solistin in Antonin Dvořáks Violinkonzert begrüßen die Niederrheinischen Sinfoniker die aus Russland stammende Geigerin Alena Baeva. Schon früh von Mstislav Rostropowitsch und Seiji Ozawa gefördert, hat sie mittlerweile eine eindrucksvolle Karriere aufgebaut und besticht besonders durch ihre lyrischen und intensiven Interpretationen des slawischen Repertoires. Aufführungen: Dienstag, 14. und Freitag, 17. Mai, 20 Uhr, Seidenweberhaus.