Kabarettist Christian Ehring: „Das Kom(m)ödchen ist meine Heimat“
2011 war für den Kabarettisten Christian Ehring ein gutes Jahr — mit Lob und Hassbriefen.
Düsseldorf. Herr Ehring, Sie waren in diesem Jahr allgegenwärtig: im neuen Kom(m)ödchen-Programm, in Tonhallen-Konzerten, im ZDF mit der Heute-Show und beim NDR mit Extra3. Sind Sie geschafft?
Christian Ehring: Ja, ich war zwischendurch schon ganz schön kaputt. Es gab ein zeitliches Nadelöhr, als wir hier „Freaks“ geprobt haben, gleichzeitig musste ich die Songs schreiben, Extra3 ist angelaufen und wir haben parallel gespielt. Jetzt ist es wieder geruhsamer. Gerade das Spielen im Kom(m)ödchen stresst mich nicht. Das ist Teil des Tagesablaufs und setzt Glückshormone frei.
Über wen wollen Sie im kommenden Jahr nichts mehr sagen?
Ehring: Ich wäre sehr sehr dankbar, wenn uns Herr zu Guttenberg mit einem weiteren Comeback-Versuch verschonen würde.
Fallen Nachrichten bei Ihnen sofort in Schubladen, die Sie für Ihre Arbeit verwenden?
Ehring: Ja schon. Das ist eine Berufskrankheit. Ich kann mich davon selbst im Urlaub nicht lösen.
Sie bleiben trotz Fernseh-Karriere fest am Kom(m)ödchen. Kabarettisten wie Harald Schmidt und Thomas Freitag haben sich anders entschieden.
Ehring: Wir ziehen hier alle an einem Strang, und dass die Vorstellungen immer voll sind, ist ein unglaubliches Privileg. Viele beim Fernsehen können das nicht nachvollziehen, dass mir die Bühne immer noch so wichtig ist. Ich denke dann, ihr wisst nicht, wie großartig das hier ist.
Was bedeutet Ihnen das Haus?
Ehring: Da werde ich richtig sentimental: Das Kom(m)ödchen ist meine Heimat. Und mein Hauptberuf. Auch wenn die anderen Dinge in der Öffentlichkeit viel stärker wahrgenommen werden. Ich habe hier angefangen mit dem Bewusstsein, da ist die große Lore Lorentz und wir sind die Enkel-Generation, die sich ausprobiert. Inzwischen ist ein neues Kapitel aufgeschlagen. Ich könnte mir vorstellen, dass man bei Kom(m)ödchen irgendwann nicht mehr in erster Linie an Lore Lorentz denkt, sondern an Kühl, Seidel und Ehring. Klingt noch etwas verwegen, aber ganz so abwegig dann auch wieder nicht.
Sie treten in „Couch“, „Sushi“ und „Freaks“ als Christian auf und nicht wie ihre Kollegen in verschiedenen Rollen.
Ehring: Ich hatte schon gehofft, dass ich mich schauspielerisch noch etwas weiterentwickeln könnte, das hat sich bislang aber nicht ergeben. Ich habe einmal kurz Gott gespielt, aber das ist ja auch eine Figur, die relativ nah an mir selbst ist (lacht).
In „Freaks“ müssen Sie sich vor einem Kabarettgerichtshof verantworten. Fühlen Sie sich schuldig?
Ehring: Ja durchaus. Es gibt ja noch Reste dieses Kabaretts alter Schule, in dem das ganz unreflektiert auf die Bühne gebracht wird: Wir da unten und die Politiker da oben. Das hat manchmal skurrile Züge, wenn die Kabarettisten selber im Spitzensteuersatz sind und mehr verdienen als ein Bundesminister. Diesen eitlen Gestus muss man heutzutage schon mal hinterfragen.
Sie sagen ja, dass Rheinländer Witze anders verstehen als der Rest der Welt. Gilt das auch für Glaubensfragen?
Ehring: Gerade in dem Punkt sind Rheinländer unheimlich schnell verstört. Für den Rheinländer ist Humor was Harmonisches. Die Form von Komik und Satire, die Geschmacksgrenzen auslotet, die wehtut, will man nicht. Es tut mir leid, das zu sagen: Das Humorspektrum ist im Rheinland etwas begrenzt.
Es gibt Konzertbesucher, die sich bitterlich darüber beschweren, dass Sie in der Tonhalle als Moderator auftreten. Können Sie das verstehen?
Ehring: Ja, kann ich ganz gut verstehen. Die müssen dann aber einfach zu Hause bleiben oder weghören. Das Format ist gedacht für Leute, die sich mit Klassik nicht auskennen, die Hemmschwellen haben. Oder Lust haben, sich auf dieses Zwitterwesen Klassik plus Komik einzulassen. Ich kann es da leider nicht allen recht machen. Aber ich spüre durchaus die Ablehnung, zum Teil blankes Entsetzen.
Was stört denn so?
Ehring: Ein Konzertbesuch ist immer noch sehr stark Distinktionsmerkmal einer bürgerlichen Schicht. Das ist ein Statement: Ich kenne mich aus, und ich weiß was da passiert. Die anderen gehen eben ins Musical. Wenn jetzt in diese distinguierte Atmosphäre ein Komiker hereinplatzt, wird das als Affront empfunden.
Was sagt der Intendant dazu?
Ehring: Immer, wenn ich in der Tonhalle bin, liest mir Michael Becker ein paar Hassbriefe vor. Er lacht dann herzlich, ich lache betreten. Er schreibt eben die Vermittlung von Klassik sehr groß und ihm gefällt die Reihe.
Wenn Sie auf das nächste Jahr schauen, was wünschen Sie sich?
Ehring: Gerade habe ich das Gefühl, das Leben schüttet ein Füllhorn über mir aus. Das wird nicht immer so bleiben. Wie die Franzosen sagen, ist Glück „le bonheur“, die glückliche Stunde. Ich hoffe, dass 2012 ein paar glückliche Stunden bereithält.