Kunstakademie 20 Arbeitsproben für ein Künstlerleben

Im Kampf um einen Studienplatz an der Akademie brauchen die Bewerber Geduld, Talent und Glück. Ein Gespräch mit Kunstprofessor Gereon Krebber.

Das Bild zeigt Professor Gereon Krebber beim Workshop im Orientierungsbereich.

Foto: Judith Michaelis

Düsseldorf. Die staatliche Kunstakademie Düsseldorf ist als Künstler-Schmiede berühmt. Doch wie trennt man die Spreu vom Weizen? Wie übersteht man Probleme, die in Düsseldorf größer sind als andernorts? Ein Gespräch mit Gereon Krebber, seit 2012 Professor im Orientierungsbereich.

Wie sieht sich die Akademie im Vergleich der Kunsthochschulen?

Krebber: Wir sind eine Akademie und keine Hochschule. Bei uns gibt es keine Berufsausbildung. Wir übermitteln keine Kompetenzen, die die Studenten im Alltag zu Geld machen könnten. Wir bilden die schöpferischen Fähigkeiten eines jungen Menschen aus, in direkter Auseinandersetzung mit einer Künstlerpersönlichkeit. Diese persönliche Bindung an einen Professor zu erfahren, das ist das Geheimnis der Kunstakademie Düsseldorf.

Gibt es Konkurrenz?

Krebber: Ja. Die Städelschule in Frankfurt ist als Eliteschule aufgebaut. Sie ist deutlich kleiner, hat nur hundert Studenten und bildet nur Leute aus, die älter sind und ein künstlerisches Profil entwickeln. Die Städelschule ist die große Konkurrenz. Sie hat uns etwas den Rang abgelaufen, weil sie die künstlerische Ausbildung schneller auf den Punkt bringt. Kasper König war 1987 von der Kunstakademie Düsseldorf als Leiter zur Städelschule gewechselt und hat den Portikus als Ausstellungshalle für aufstrebende Künstler zur Bedingung gemacht. Damit konnte er den jungen Leuten ein Sprungbrett bieten. In Düsseldorf war das tabu.

Wie sind Ihre Abschlüsse?

Krebber: Bei uns kann man weder Bachelor noch Master machen. Das ließe sich mit unserem Klassen-System nicht vereinbaren. Im Grunde ist es eine reine Kunstausbildung. Wir bilden auch Kunstlehrer aus, damit wir wissen, dass der Unterricht an Schulen nicht nur von der pädagogischen Diktion ausgeht, sondern auch vom Gegenstand.

Gereon Krebber, Professor

Wie bewirbt man sich?

Krebber: Mit 20 Arbeitsproben in einer Mappe. Im Schnitt kommen 600 bis 700 Mappen ins Haus. Ein Viertel der Bewerber sind Asiaten, vor allem Koreaner, die schon studiert haben. Deren Mappen sind gut. Für sie macht es aber keinen Sinn, hier noch einmal anzufangen.

Malerei ist favorisiert?

Krebber: Ja, aber auch die Fotografie, denn Düsseldorf gilt als Becher-Schule. Das ist aber ein Missverhältnis. Wir haben niemanden mehr, der eine bildgebende Fotografie lehrt, in der es um ein fotografisches Moment geht. Christopher Williams hat einen konzeptuellen Ansatz. Und Gursky betont ausdrücklich die freie Kunst.

Wie steht es um Bildhauer?

Krebber: Auf sechs Maler kommt ein Bildhauer.

Was steckt in den Mappen?

Krebber: Viel Kram. Mancher bewirbt sich mit VHS-Ergebnissen. Andere können kaum einen Stift halten. Wir sind aber kein Jugendclub und keine Streetart-Ausstellung. Die kritische Selbsteinschätzung bei den Bewerbern ist oft alarmierend gering. Manche waren nie im Museum, haben wenig in ihrem Leben gemalt, meinen aber, sie müssten eine künstlerische Laufbahn starten.

Wer prüft die Mappen?

Krebber: Sieben Professoren und ein Mitarbeiter bilden die Kommission. Sie beurteilen Konzeption, Intensität und Realisierungsfähigkeit. Wer insgesamt die Note 3 erhält, fliegt raus. Wer eine 2 hat, bleibt drin.

Gibt es Bewerber ohne Abitur?

Krebber: Ja. Dann muss man den Nachweis einer besonderen künstlerischen Begabung haben. Die Anzahl ist gering. Aber diese Leute sind wichtig, weil sie einen anderen Zugang haben. Manche sind Handwerker, manche sind einfach verstrahlte Gestalten, die auf ihrem Gebiet etwas Eigenes bearbeiten.

Wer darf endlich studieren?

Krebber: Wer die Prüfung am Ende des Orientierungsbereichs besteht. Früher waren es 50 Leute, heute sind es 60 bis 80. Im Moment sind es 95.

Wie wird man erfolgreich?

Krebber: Durch 10 000 Stunden Arbeit. Nur zu reden, bringt nichts. Wer drei Jobs hat, bekommt keinen Schwung. Die Studenten müssen aus ihrem Schneckenhäuschen herauskommen und in einen Dampfdrucktopf gesteckt werden. Dynamik ist wichtig. Sie wissen am Anfang gar nicht, was sie am Ende tun werden. Das bekommt man aber nur mit, wenn man anwesend ist. Wer sich darauf einlässt, erhält plötzlich einen ganz anderen Horizont. Er arbeitet an Dingen, von denen er vorher gar nicht wusste, dass man sie machen kann. Die Lehre im O-Bereich ist sehr intensiv. Wir sind zwei Professoren und fünf Lehrbeauftragte.

Welche Einstellung bringen die Bewerber mit?

Krebber: Es gibt Leute, die zelebrieren das Künstlertum, weil sie ja an der berühmten Akademie sind. Manche Studenten haben von Tuten und Blasen keine Ahnung und fragen vor den Skulpturen von Michelangelo, ob das eine Studentenarbeit sei. Andere wissen viel über die Kunstgeschichte oder sind ausgebildete Schreinermeister.

Warum machen sie Kunst?

Krebber: Diese Frage können sie nicht beantworten. Das ist für sie ein blinder Fleck. Die Akademie ist eine kognitive und psychologische Herausforderung, ohne konkrete Anleitung, etwas zu machen. Sie sind konfrontiert mit Künstlern, die ihre Arbeit gut oder schlecht finden. Sie sind mit Kommilitonen zusammen, die auch kämpfen. In diesem Biotop der Gefühle kann man auch hängen bleiben. Sie müssen in Workshops merken, dass das, was sie bisher hatten, nicht alles ist. Manche verkraften das aber auch nicht, und es gibt psychologische Probleme.

Am 14. Juli beginnen die Prüfungen, was kommt dann?

Krebber: Die viel härtere Prüfung ist, bei einem Professor in einer Klasse unterzukommen. Die Professoren Fritsch und Gursky, Grosse und Vermeiren verlassen das Haus und nehmen keine Studenten mehr auf. Dem stehen 95 Bewerber gegenüber. Wir können unsere organisatorischen Probleme nicht auf dem Rücken der Studenten austragen. Wir müssen schnell Abhilfe schaffen.

Was ist mit dem, der durchfällt?

Krebber: In der neuen Prüfungsordnung ist ein drittes Prüfungssemester verbrieft.

Und wer keine Klasse findet?

Krebber: Wird Flurstudent. Aber das ist frustrierend. Dann haben sie drei Jahre ihrer Jugend verloren.