Düsseldorf Abi-Party mutiert zum Hahnenkampf

Düsseldorf · „Abiball“ am Schauspielhaus Düsseldorf, ein amüsantes Stück mit viel Karikatur und Comedy über den allerletzten Schultag.

Schönes Besäufnis voller Peinlichkeiten: Der „Abiball“ am Schauspielhaus Düsseldorf.

Foto: Sandra Then

Die Bar ist geöffnet. Für Zuschauer und Schauspieler. Sie bilden in „Abiball“– dem neuen Stück von Lutz Hübner und Sarah Nemitz – eine eingeschworene Gemeinschaft. Sie sitzen an großen, runden Tischen – in festlichem Weiß gedeckt – schlürfen Drinks und haben Vergnügen an einem Spektakel, das ehemalige Abiturienten, Lehrer und Eltern zur Genüge kennen. Jonas, Benno und Lucy – Teenager, die das wichtige Papier nun endlich in der Tasche haben. Väter, Mütter und Großmütter haben sich nicht nur in Schale geworfen, sondern nach allen Regeln der Kunst aufgebrezelt.

So beginnt das muntere Schaulaufen der Typen, die man auch aus deutschen und amerikanischen College-Filmen und TV-Komödien kennt. Ähnlich wie im Film mit Short-Cuts und Vergrößerung intimer Zwiegespräche auf Groß-Leinwand, in Szene gesetzt von Robert Lehniger und Ausstatter Michael Graessner. Die beiden bringen das Zweieinhalb-Stunden-Opus als spritzige, süffisante Gesellschafts-Satire auf die große Bühne des Düsseldorfer Schauspielhauses.

Wohlgemerkt: Auch Zuschauer sitzen hier auf der Bühne, werden von Wachpersonal mit finsterer Miene durch Hintertüten und Theater-Labyrinthe geführt. Ein Ritual, das manche schon miterleben durften. „Das ist ja fast so wie bei unserem Ball“, begeistert sich eine junge Zuschauerin (sie könnte Studentin sein), die vermutlich vor wenigen Jahren diese Prozedur mitgestaltete. Der Wiedererkennungswert ist jedenfalls bei dieser szenischen Installation hoch. Nicht nur für einstige Schüler.

Mitte der 1990er Jahre schwappte der hochgetunte „Prom“-Ball als Abschluss-Ball amerikanischer Highschools nach Deutschland rüber. Seitdem bereiten sich auch hierzulande Pennäler auf den Abiball meist ein Jahr vor – nicht selten intensiver als auf die Abiprüfung selbst. Sie sammeln bei anderen Schulfeiern Geld für ihren Ball, lassen feine, manchmal allzu grell glitzernde Roben schneidern, mit denen sie einen Gang über den Roten Teppich bestehen könnten.

Musiklehrerin Frau Bantzer blamiert sich bis auf die Knochen

All’ das reizte das Duo Hübner/Nemitz, deren Stücke im deutschsprachigen Raum auf fast allen Theaterbühnen gespielt werden. Schulkosmos und Elternversammlungen verarbeiteten sie bereits mit dem Erfolgs-Stück „Frau Müller muss weg“, dem Sönke Wortmann ein Denkmal in Celluloid setzte.

Angeregt von Erfahrungen, die Hübner/Nemitz vor drei Jahren beim Abiball ihrer Tochter machten, entwarfen sie ein Panoptikum von Figuren, treffen die schnoddrige Umgangs-Sprache der heutigen Schüler-Generation, zeigen einen Kunstlehrer als Schüler-Versteher und eine insgeheim verhasste Direktorin.

Diese aufkratzte Frau Bantzer, die auch noch Musiklehrerin ist, blamiert sich bis auf die Knochen mit einem schief und schäl gesungenen Song vor Eltern und Abiturienten.

Eine ganz schön schräge Personnage wird hier karikiert: eine verwirrt herumirrende Oma, die selbst der Direktorin unverblümt sagt, was sie von ihrer Pädagogik denkt. Oder ehrgeizige Väter, die Studium und Karriere ihrer Kids bereits auf dem Abiball vorzeichnen. Vertreten ebenfalls frustrierte Alleinerzieherinnen, die sich im Alkoholrausch einem geschiedenen Mann an den Hals werfen. Oder Macho-Väter, wie Personalchef Frank (Sebastian Tessenow), die ihrem jungen Spund zeigen wollen, wo’s lang geht.

Der Spott der Autoren ergießt sich auch über Patchwork-Familien. Da prallen Lucys biologischer Vater Michi (leicht aggressiv: Jan Maak) und ihr Stiefvater Deniz (auf jugendlichen Flegel mit Baseballkappe getrimmt: Serkan Kaya) aufeinander, brüllen sich an, der eine schlägt dem anderen eine blutige Nase, bis Deniz Reißaus nimmt. So mutiert die feucht fröhliche Abi-Party zu einem aggressiven Hahnenkampf.

Satirisch überspitzt, pointiert und manchmal überhitzt wirken die dramatischen Steigerungen, die im zweiten Teil zwar an Tempo verlieren. Aber in kurzen Schnitten rückt die Regie die Figuren am Rande des Nervenzusammenbruchs ins Licht und entlarvt die wenig heile Welt, die sich hinter hoch poliertem Abiball-Klimbim verbirgt.

Schauspielerisch überzeugen – neben Schwergewichten wie Sebastian Tessenow und Cathleen Baumann als Lucys überspannte und notgeile Mutter Claudia – die Studenten des Salzburger Mozarteums. Genet Zegay (als Jahrgangsbeste Lucy), Niklas Mitteregger (als verträumter Benno) und Vincent Sauer (als zwischen Vater und Mitschülern lavierender Primus Jonas): als Darsteller wirken sie so authentisch, weil sie erst kürzlich ihren eigenen Abiball absolviert haben dürften.

Fazit: Ein amüsantes Stück mit viel Karikatur und Comedy über den allerletzten Schultag. Nahe der Realität, mit skurrilen Figuren. Auch wegen des flinken Szenenwechsels könnte man wetten, dass dieser Abiball bald im Kino erscheint.