Bundeskunsthalle in Bonn Ausstellung: Verneigung vor der großen Pina Bausch

Erstmals ist das Werk der berühmten Tänzerin und Choreografin aus Wuppertal in einer Ausstellung zu sehen. Eine Schau zum Mittanzen.

Foto: Laurent Philippe

„Wenn ich in die Lichtburg gehe, an einer Bushaltestelle vorbei, dann sehe ich fast täglich viele, die sehr traurig und müde aussehen. Und auch diese Gefühle sind in unseren Stücken aufgehoben.“
Pina Bausch (1940-2009)

Foto: Jochen Viehohff

Bonn/Wuppertal. Die Lichtburg gibt es neuerdings an zwei Orten. Das Original des 50er-Jahre-Kinos steht im Wuppertaler Stadtteil Barmen an einer ziemlich großen und vielbefahrenen Straße, der anliegende Sexshops, Daddelhallen und Imbissbuden einen sehr eigenwilligen Charme verleihen. Einen Teil der Lichtburg hat die Bundeskunsthalle in Bonn sich für eine neue Ausstellung nachbauen lassen — eben jenen ausgemusterten Vorführraum, den das Tanztheater Pina Bausch seit Anfang der 1970er Jahre als Probenraum nutzt.

In Barmen laufen Fußgänger meist an der unscheinbaren Eingangstür vorbei, in Bonn ist die Lichtburg hingegen das Herzstück, das Zentrum der Ausstellung. „Pina Bausch und das Tanztheater“ beginnt heute und ist bis zum 24. Juli in der Bundesstadt zu sehen, bevor sie dann weiter in die Hauptstadt wandert. Es ist die erste Museumsausstellung, die sich dem Werk der legendären Wuppertaler Tänzerin und Choreografin widmet.

Wobei das Wort Ausstellung die Sache nicht so ganz trifft. „Wir haben uns gefragt, ob wir ihr Tanztheater überhaupt in einer solchen Form präsentieren können“, sagt Salomon Bausch (35), Sohn und Vorstandsvorsitzender der Wuppertaler Pina Bausch Foundation. „Die Antwort war ein klares Nein! Wer ihr Werk sehen will, der muss ins Theater gehen.“ In der Tat hat die Schau erfreulich wenig von Nullachtfuffzehn-Ausstellungen — vor allem wegen des nachgebastelten Proberaums aus Barmen.

Mit reichlich Patina und viel Liebe zum angestaubten Detail wurde das Interieur nachgebaut. Vorn eine Bühne, an den Seiten des überraschend großen Raums im Raum sind Ballettstangen angebracht. Daneben stehen Spiegel, ein Klavier, Stühle mit Klamotten darauf — und vor Kopf ein sehr schlichter Holztisch, an dem einst die große Bausch saß und Tänzer beobachtete, anleitete, forderte oder tröstete. Vor allem an Ausstrahlung und Charakter ihrer Ensemble-Mitglieder war die Choreografin interessiert.

Dass die Männer und Frauen mit ihren Körpern umzugehen wissen, setzte die Perfektionistin — in Solingen als Philippine Bausch geboren — sowieso voraus. „Es liegt mir am Herzen, dass man diese Menschen auf der Bühne wirklich kennenlernt. In den Stücken ist jeder ganz er selbst, niemand muss etwas spielen“, sagte Bausch einmal über ihre Tänzer. Mitglieder des Tanztheaters kommen während der Ausstellung nach Bonn, um in der echt falschen Lichtburg zu proben.

Dort werden dann Lesungen, Performances und Workshops mit den Ausstellungsbesuchern veranstaltet. Wer sich traut, kann beispielsweise mit der Australierin Josephine Ann Endicott (66), einer der wichtigsten Tänzerinnen des Tanztheaters, die berühmte Nelkenreihe („Nelken“, 1982) einstudieren. Zurückhaltendere Menschen sind besser vor den Dutzenden Fotos, Aufzeichnungen und Regiebüchern aus dem Archiv der Bausch Foundation aufgehoben. Stücke, die zum Teil erstmals der Öffentlichkeit präsentiert werden, und bei Kennern der Tanzszene zu Aha-Effekten führen dürften — etwa, wenn heute noch aktive Tänzer der Truppe als junge Hüpfer zu sehen sind.

Gut 125 Tänzer gehörten fest zur Wuppertaler Compagnie, die Bausch von 1973 bis zu ihrem Tod zu Weltruhm führte. 18 Tage nach der Uraufführung ihres Stücks „. . . wie das Moos auf dem Stein“ starb Bausch am 30. Juni 2009 an Lungenkrebs. 36 Jahre war es da her, dass sie als Ballettdirektorin an die Städtischen Bühnen gewechselt war. „Ich kann es ja mal versuchen.“ Mit diesen Worten gab sie zu Beginn der Spielzeit 1973/74 dem Drängen des damaligen Wuppertaler Intendanten Arno Wüstenhöfer (1920-2003) nach. Sie war Tänzerin — und wollte es bleiben.

Mit 14 Jahren hatte Bausch ihre Ausbildung bei Kurt Jooss (1901-1979), Tänzer und Mitbegründer der Essener Folkwangschule, begonnen und dort ihre Grenzen kennengelernt. Vier Jahre später war sie in New York — ohne ein Wort Englisch zu können, aber entschlossen, hart zu arbeiten und Grenzen zu überwinden. „Man lernt, dass man nichts trennen kann. Dass alles gleichzeitig neben- und miteinander existiert und dass alles gleich wert und gleich wichtig ist.“