35. Asterix-Band erschienen: Aufgewärmter Zaubertrank
„Asterix bei den Pikten“ kommt mit guten Ansätzen, aber ebenso viel Verbesserungspotenzial daher. Wir haben im neuen Band geblättert.
Düsseldorf. „Wir haben nichts gegen Fremde, aber diese Fremden sind nicht von hier.“ So wie Methusalix hegen auch die Asterix-Anhänger einen gewissen Argwohn gegen Neuerungen. Der Dorfalterspräsident sagt diesen Satz in „Das Geschenk Cäsars“.
Die Fangemeinde sagte ihn seit dem Tod des Texters René Goscinny 1977 jedes Mal, wenn ein neuer Band herauskam — obwohl mit Zeichner Albert Uderzo eine Hälfte des kongenialen Duos dabei war. Der versuchte zwar, den Erzählstil des verstorbenen Partners fortzusetzen, allerdings mit schwindendem Erfolg.
Die Skepsis der Fans konnte er nie ganz ausräumen, Zaubertrank hin oder her. Für viele eingefleischte Asterixianer ist deshalb „Asterix bei den Belgiern“ (Band 24) der letzte vollwertige Teil der Serie.
Dort will der Verlag Ehapa mit einem neuen Duo — Texter Jean-Yves Ferri und Zeichner Didier Conrad — ansetzen, den Erfolg mit dem neuen Band „Asterix bei den Pikten“ zurückholen. Für die Gallier ist die Fahrt ins heutige Schottland nach Abenteuern in Amerika, Indien und Nahost beinahe ein Katzensprung, das Risiko gering. Für seine Macher sieht das schon anders aus: Die jüngsten Vorgänger hatten alle eine Millionenauflage.
„La Traviata“ ging 2001 europaweit acht Millionen Mal in den Handel — ohne Spuren zu hinterlassen. Diesmal sind es in Frankreich und Deutschland zusammen fünf Millionen. Insgesamt wurden bislang mehr als 350 Millionen Hefte verkauft. Sollen noch einige hinzukommen, müssen Ferri und Conrad den Spagat schaffen, bei Goscinnys Stil anzusetzen, ohne dabei altbacken zu wirken. Doch: Alea jacta est (lat.: Der Würfel ist gefallen). Jetzt entscheiden die Leser.
Und ein erster Blick macht Hoffnung, denn das Thema ist geschickt gewählt: Immer dann, wenn Asterix und Obelix andere Völker besuchen, sind sie am stärksten. Andere Kulturen („Die spinnen die Briten“) bieten einen Fundus an Folklore, was die Handlung selbst als Spannungsträger entlastet.
Grund der Reise: Ein in Gallien angeschwemmter Pikte muss zurück in seine Heimat, wo er um Thron und Verlobte kämpfen wird. Das macht Dudelsäcke, Whisky und Männer in Röcken zwar vorhersehbar, hat im Kontrast mit den eigenwilligen Galliern aber trotzdem Potenzial.
Ferri und Conrad gehen handwerklich auf Nummer sicher, indem sie Goscinnys und Uderzos alten Stereotypenkoffer auspacken. Ungewöhnlich lang für eine Reisegeschichte spielt die Handlung zunächst im gallischen Dorf, so als ob alte Fans und möglicher Nachwuchs wieder an die Bewohner und ihre Eigenheiten herangeführt werden sollen. Das gibt ein Gefühl von Vertrautheit, weil auch der Pinselstrich dort weitgehend gelingt. Doch gerät der alte Plunder vom gammeligen Fisch und dem ewigen „Wer ist hier dick?“ auch zum Ballast, weil er auf Kosten einer stringenten Handlung geht.
Obwohl inszenierter Neuanfang, setzt das Heft auf bewährte Stilmittel: So trägt der Gegenspieler diesmal die Gesichtszüge von Frankreichs Filmbösewicht vom Dienst, Vincent Cassel. Er tritt damit in eine Reihe mit Sean Connery, Lino Ventura und Kirk Douglas. Auch das Schlachten-Wimmelbild mit strategischer Erklärung — der zeichnerische Höhepunkt aus „Streit um Asterix“ — wird reaktiviert. Zeichner Conrad kommt dem Stil Uderzos recht nah.
Dagegen gelingt die textliche Gratwanderung zwischen Humor und Klamauk nur selten. Manche Wortspiele sind einfach zu platt, pflichtschuldig wird jeder Kalauer zum schottischen Wort „Loch“ abgearbeitet. Dafür bleiben die Pikten selbst stereotyp und holzschnittartig. Unklar ist auch, warum zwei Römer auftreten müssen, die regelmäßig nervende Phrasen einstreuen, zugleich aber von der Handlung völlig isoliert sind. In etwa so, als gäbe es noch Raum zu füllen. Erzähler Ferri und die Übersetzung haben noch deutlich Luft nach oben.
Abgesehen von einem Seitenhieb auf die EU-Flüchtlingspolitik („Für uns Gallier ist Recht auf Asyl kein leeres Versprechen“) fehlt dem Asterix des 21. Jahrhunderts ein wenig die dreiste Spitzfindigkeit, mit der sich Uderzo und Goscinny über die Nachbarn und deren Eigenarten lustig machten — gern auch mit einer Prise Politik.
Da sahen die Gotenhäuptlinge verdächtig nach Reichspräsident Hindenburg aus und befassten sich am liebsten mit Zollfragen und Marschgesang. Oder gar die Schweizer, bei denen die Sanduhren sekundengenau gingen. Allerdings war Goscinnys Humor in den 60er und 70er Jahren auch noch einfacher zu transportieren, als Grenzen nicht nur geografisch, sondern auch kulturell gepflegt wurden. In Zeiten der EU sind die nur noch schwer auszumachen. Es fehlt die Reibungsfläche.