Abschied von Walter Jens
Tübingen (dpa) - Mehr als 1000 Trauergäste haben am Montag in Tübingen gemeinsam mit der Familie Abschied von Walter Jens genommen. In der Tübinger Stiftskirche wurde das Requiem von Wolfgang Amadeus Mozart gespielt, ein Stück, mit dem sich Jens immer wieder auseinandergesetzt hat.
Der Philologe Jens, der zu den wichtigsten Intellektuellen der deutschen Nachkriegsgeschichte zählt, war am 9. Juni im Alter von 90 Jahren gestorben.
Der schlichte helle Holzsarg war nur mit wenigen Blumen geschmückt. Ehefrau Inge Jens (86) hatte rote Nelken auf den Sarg gelegt. Weggefährte und Theologieprofessor Hans Küng saß während der Trauerfeier an ihrer Seite. Er hatte zuvor einen Kranz mit der Aufschrift „Dem treuen Freund“ im Eingang der Kirche niedergelegt.
Pfarrer Karl Theodor Kleinknecht würdigte Jens als einen Menschen mit vielen Facetten: „Was war dieser Mann nicht alles: Mann, Bruder, Vater, Großvater, leidenschaftlicher Lehrer. Forscher, Schriftsteller, Altphilologe, Rhetor, Prediger, Humanist, Moralist, Pazifist, ... , Radikaldemokrat, Mutlangen-Blockierer und Deserteure-Verstecker, Präsident der Akademie und des P.E.N., Übersetzer heiliger Schriften, ..., ein Brückenbauer, einer, der Marx und Hölderlin zusammenbrachte.“
Jens war zuletzt schwer demenzkrank, konnte schon seit Jahren nicht mehr reden und nicht mehr schreiben. Politiker, Schriftsteller und Weggefährten hatten ihn nach seinem Tod als herausragenden Intellektuellen und streitbaren Demokraten gewürdigt, der über Jahrzehnte hinweg die politischen und geisteswissenschaftlichen Debatten in Deutschland geprägt habe.
Nach der Trauerfeier gaben mehrere hundert Verwandte, Freunde und Wegbegleiter Jens das letzte Geleit auf dem Tübinger Stadtfriedhof, wo viele große Dichter und Denker ihre letzte Ruhe gefunden haben. Im Schatten alter Bäume bedeckten sie den Sarg mit Händen voller Erde - zuerst Inge Jens und ihre beiden Söhne Tilman und Christoph. Auch Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer (Grüne) war unter den Trauernden und nahm Abschied vom Ehrenbürger der Stadt. Die Grabstätte hatten Jens und seine Frau schon vor vielen Jahren ausgesucht. Sie liegt nicht weit entfernt von den Gräbern Friedrich Hölderlins und Ludwig Uhlands.