Batman auf der Couch
Experten analysieren die seelischen Störungen von berühmten Filmcharakteren.
Kassel/Münster. Von Schweigepflicht hält Heidi Möller in diesem Fall nicht viel. Die Diagnose der Psychologie-Professorin an der Universität Kassel über ihren Patienten ist eindeutig: "Der hat eine schwere Persönlichkeitsstörung." Weil er als kleiner Junge früher aus einer Oper gehen möchte, werden seine Eltern überfallen und niedergeschossen.
Er fühlt sich verantwortlich und leidet unter Alpträumen, Einschlafstörungen und emotionalem Erstarren. "Eine posttraumatische Belastungsstörung", sagt Möller. Doch er stellt sich dem Trauma und kämpft gegen das Böse - auch als Selbsttherapie. Ihr "Patient" ist nicht irgendjemand - es ist Batman im Film "Batman begins" aus dem Jahr 2005.
Zusammen mit ihrem Münsteraner Kollegen Stephan Doering hat Möller das Buch "Batman und andere himmlische Kreaturen - Nochmal 30 Filmcharaktere und ihre psychischen Störungen" herausgebracht. Möller analysiert darin die seelischen Leiden von Filmfiguren - wissenschaftlich genug für Psychologie-Studenten, aber auch verständlich genug für Filmfans.
Es geht um soziale Phobien, multiple Persönlichkeitsstörungen wie in "Fight Club" oder Zwangsstörungen wie bei Jack Nicholson als Melvin Udall in "Besser geht’s nicht". Das Buch ist der Nachfolger des 2008 erschienenen Werkes "Frankenstein und Belle de Jour: 30 Filmcharaktere und ihre psychischen Störungen".
Ein anderer untersuchter Fall ist der Star aus "Sex and the City", Carrie Bradshaw. Jahrelang sehnt sie sich nach ihrem Mr. Right, doch der lässt sie vor dem Traualtar stehen. "Sie besteht darauf, ein Opfer zu sein, und geht nicht in die Auseinandersetzung", erzählt Möller. Die Diagnose: eine schwere depressive Episode. "Das ist überzeugend gespielt. Sie zeigt das gut", lobt Möller die Schauspielerin Sarah Jessica Parker.
Solche Filme und Serien seien auch so erfolgreich, weil sich viele Zuschauer darin wiederfänden, betont die Psychologin. "Während des Films kann der Zuschauer seine eigenen Erlebnisse betrauern. Und dann gibt es ein Happy End." Das Buch gebe den Menschen die Gelegenheit, die Filme noch einmal aus einem neuen Blickwinkel zu schauen.
Möller und Doering haben nicht alle Diagnosen selbst gestellt, sondern Experten mitarbeiten lassen. Auch das Oscar-prämierte Boxdrama "Million Dollar Baby" von und mit Clint Eastwood wird so im Buch analysiert. "Hier verschmelzen psychologische Aspekte mit der Analyse der filmischen Mittel", erzählt Möller. Der Beitrag wurde vom Psychoanalytiker und Filmtheoretiker Dirk Blothner geschrieben, der mehrere Studien zur Film- und Fernsehwirkung verfasst hat.