Biografie: Immer diese Bachs - eine deutsche Saga
Klaus-Rüdiger Mai erzählt klug und mitreißend die Geschichte der Musikerfamilie.
Düsseldorf/Leipzig. Welche Seiten die interessantesten des Buches sind, lässt sich schwerlich sagen. Sehr schnell hingegen wird der Leser feststellen, welches die wichtigsten sind: Auf den Seiten 446 und 447 hat Autor Klaus-Rüdiger Mai den Stammbaum der Familie Bach untergebracht — ein nützlicher und notwendiger Hilfsdienst für den Laien, dem ob der vielen Namen ansonsten der Kopf klingeln würde. Denn neben reichlichem Talent für Musik haben mehr als 30 Erstgeborene der Familie den Vornamen Johann geerbt.
Darunter auch der berühmteste: Johann Sebastian (1685 — 1750), der auf dem Buchdeckel mit drei seiner vier Söhne zu sehen ist. Ein Zufallsfund ist das Bild — ein Ölgemälde des Porträtmalers Balthasar Denner — keineswegs, eher schon eine Kurzzusammenfassung. Schließlich geht es Klaus-Rüdiger Mai nicht nur um den Mann mit dem properen Gesicht, sondern um die ganze Sippe.
Die meisten Bach-Nachkommen spielten mehrere Instrumente und konnten Noten lesen — lange bevor sie Buchstaben und Zahlen beherrschten. „Die Bachs“ hat Mai die Biografie genannt. „Eine deutsche Familie“ lautet der Untertitel.
Folglich beginnt Mai sein Werk auch nicht mit dem berühmtesten Musikus, sondern mit demjenigen Bach, der als Erster sein musikalisches Können in bare Münze verwandelte: Der Lutheraner Veit Bach (? - 1619) flieht im 16. Jahrhundert vor Krieg und den religiösen Auseinandersetzungen aus Ungarn nach Thüringen, um sich dort als Müller und fiedelnder Spielmann niederzulassen. Der „Ursprung der musicalisch-Bachischen Familie“, wie Johann Sebastian Bach mit einigem Stolz in seiner eigenen Familienchronik notiert, die er im Jahr 1735 begann.
Mai folgt also Bachs ureigener Zeitrechnung, geht aber weit darüber hinaus, indem er die Geschichte der Familie in Bezug zu den historischen Ereignissen setzt. Ohne Luthers Reformation, ohne die Wirren des 30-Jährigen Krieges und die deutsche Kleinstaaterei, aber auch ohne das Licht der Aufklärung hätte es die musikalische Familie vermutlich nie zu diesem Ruhm gebracht. Bekanntheit, die Teile der Bachschen nach London, Stockholm, Venedig oder Mailand verschlug. Zwei Jahrhunderte prägt die Familie europäische Kulturgeschichte.
Dass Mai für Laien hier und da etwas zu tief in Musiktheorie und -geschichte eintaucht, ist eine lässliche Sünde. Wer partout nicht erfahren möchte, was Motette, Fuge oder Kantate sind, kann diese Passagen getrost überlesen — und wird nach der Lektüre dennoch schlauer sein. Mai hat ein kluges und mitreißendes Buch geschrieben — über eine mitreißende Familie.