„Demokratie verteidigen“ - Aufruf gegen Überwachung

Berlin (dpa) - Mit einem internationalen Aufruf haben mehr als 550 prominente Autoren aus der ganzen Welt ein Ende von Massenüberwachung durch Regierungen und Unternehmen gefordert.

„Ein Mensch unter Beobachtung ist niemals frei; und eine Gesellschaft unter ständiger Beobachtung ist keine Demokratie mehr“, heißt es in dem Appell, der am Dienstag nach Angaben der Initiatoren in mehr als 30 Zeitungen erschienen ist.

Zu den Unterzeichnern gehören auch die fünf Literaturnobelpreisträger Günter Grass, Elfriede Jelinek, J.M. Coetzee, Tomas Tranströmer und Orhan Pamuk. Daneben sind namhafte Autoren wie Umberto Eco, Don DeLillo, Daniel Kehlmann, Henning Mankell, Richard Ford, David Grossman, Paul Auster oder T.C. Boyle vertreten.

Bürger sollten mitentscheiden dürfen, welche Daten über sie gesammelt, gespeichert und verarbeitet werden, erklärten die Initiatoren, unter anderem die Schriftsteller Juli Zeh, Eva Menasse, Ilija Trojanow und der Präsident des PEN-Zentrums Deutschland, Josef Haslinger. In einer Internationalen Konvention sollten die Vereinten Nationen die digitalen Rechte der Bürger festschreiben. Der Protestbrief wurde auch im Internet veröffentlicht (www.change.org/ueberwachung).

Der frühere US-Geheimdienstmitarbeiter Edward Snowden hatte Dokumente über eine massive Internet-Überwachung unter anderem durch den amerikanischen Geheimdienst NSA und das britische Pendant GCHQ veröffentlicht und damit eine weltweite Welle des Protests ausgelöst.

Die Autoren aus Europa, den USA, Lateinamerika, Asien und Afrika rufen die Bürger auf, ihre Rechte zu verteidigen. „Massenhafte Überwachung behandelt jeden einzelnen Bürger als Verdächtigen“ und hebele so die Unschuldsvermutung aus, schrieben sie.

„Mit ein paar Maus-Klicks können Staaten unsere Mobiltelefone, unsere E-Mails, unsere sozialen Netzwerke und die von uns besuchten Internet-Seiten ausspähen“, heißt es in dem Aufruf, den auch Urs Widmer, Martin Amis, Julian Barnes, Alberto Manguel, Kazuo Ishiguro und Javier Marías unterschrieben haben. In Deutschland erschien der Aufruf in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“.

Zusammen mit kommerziellen Internet-Anbietern seien Staaten in der Lage, menschliches Verhalten - nicht nur ihr Konsumverhalten - vorherzusagen. Die Unverletzlichkeit des Individuums sei eine der Säulen der Demokratie. Alle Menschen hätten das Recht, in ihren Gedanken und Privaträumen, in ihren Briefen und Gesprächen frei und unbeobachtet zu bleiben, heißt es in dem Aufruf. Dieses Menschenrecht sei inzwischen null und nichtig, weil Staaten und Konzerne die technologische Entwicklung massiv missbrauchten.

SPD-Chef Sigmar Gabriel lobte den Vorstoß. „Das ist eine wunderbare und beeindruckende Aktion“, schrieb er auf seiner Facebook-Seite. Bei den Nutzern kam das nicht besonders gut an: Sie erinnerten Gabriel daran, dass die SPD in einer großen Koalition die Telefon- und Internetdaten aller Bürger speichern wolle. Die EU-Richtlinie dazu wollen SPD und Union umsetzen.

Der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Markus Löning, sagte, der Aufruf zeige, dass der Schutz von Daten und Privatsphäre immer mehr Menschen bewege. Notwendig sei ein breiter Konsens, um Druck auf die Politik für einen wirksamen Schutz zu erreichen.