Buchpreisträger Ruge im Interview: Harte Arbeit am leichten Stil

Eugen Ruge ist Buchpreisträger und Mathematiker, doch das systematische Vorgehen hilft beim Schreiben nur bedingt.

Düsseldorf. Eugen Ruge ist Buchpreisträger und Mathematiker, doch das systematische Vorgehen hilft beim Schreiben nur bedingt, wie er uns im Interview verriet.

Herr Ruge, wie empfinden Sie den Rummel, der mit dem Deutschen Buchpreis plötzlich einsetzte?

Ruge: Ich nehme das im Augenblick nicht wahr. Aber es gilt: Es gibt nur so viel Rummel, wie man zulässt.

Die Jury lobt insbesondere Ihren Humor und Ihren Stil, der so leicht daherkommt.

Ruge: Schön, dass das so leicht wirkt. Aber gerade daran habe ich lange gearbeitet, Kapitel gestrichen, neu geschrieben. Zwischendurch kamen mir immer wieder Zweifel.

Gleicht die Auszeichnung als bester Romanautor des Jahres die Mühen wieder aus?

Ruge: Ja, es ist Anerkennung und Belohnung; denn ich habe in dem Buch schon eine Menge abgeliefert. Und drei Jahre daran gearbeitet, regelmäßig, jeden Tag drei Stunden. Das habe ich so drin, ich wurde preußisch protestantisch erzogen. Ich wusste auch, dass das ein gutes Buch wird, hatte aber keine Ahnung, ob das Thema noch von Interesse ist. Nebenbei habe ich noch eine Lenin-Biografie herausgegeben, die mein Vater vor seinem Tod 2006 verfasst hatte.

Staunen Sie darüber, dass Ihr Debüt-Roman bei Jury, Kritikern und Publikum so gut ankommt?

Ruge: Das kann man so nicht sehen, das wäre Angeberei. Schließlich schreibe ich seit 25 Jahren. Durch meine Hörspiele und Dramen hatte ich Übung darin, wie man Figuren gestaltet und Spannung aufbaut.

Sie haben in der DDR als Mathematiker gearbeitet. Wie kamen Sie zum Schreiben?

Ruge: Ich wollte als junger Mann Schriftsteller werden. Damals war das noch ein sehr angesehener Beruf. Doch mein Vater bestand darauf, dass ich erst einmal einen richtigen Beruf ergreife.

Gehörten Sie zum DDR-Establishment?

Ruge: Ich arbeitete in der Akademie der Wissenschaften, musste aber als Naturwissenschaftler nicht in die Partei eintreten.

Hilft die Mathematik beim Schreiben?

Ruhe: Das systematische Vorgehen kann ich nicht ablegen, muss mich aber davor schützen. Denn Systematik reicht nicht für einen Roman. Erst wenn ich die Dinge laufen lasse, entsteht etwas. Kreativität entwickelt sich erst dann, wenn ordnendes Denken und Intuition sich reiben.

Sie haben die DDR 1988 verlassen. Warum so spät?

Ruge: Ich hatte kapiert: Die DDR und der Sozialismus haben sich erledigt. Das Leben war langweilig. Aber es ist schwer abzuhauen, denn eine Flucht ist eine Total-Scheidung. Ich zögerte immer wieder, Familie, Freunde, das ganze Leben zurückzulassen. Der 80. Geburtstag eines Onkels im Westen war dann der Anlass für mich, ein Besuchervisum zu beantragen.

Und was war jetzt der Anlass für einen Roman über 50 Jahre DDR-Geschichte?

Ruge: Das Thema brauchte keinen Anlass. Es ging nur darum, dass ich endlich anfange. Im Nachhinein verstehe ich jedoch, dass ich erst nach dem Tod meines Vaters (Anm.: der Geschichtsprofessor Wolfgang Ruge) frei war, die Geschichte zu erzählen.

Ist der Roman Ihre Abrechnung mit dem Land?

Ruge: Nein, mein Buch ist keine Anklage, aber auch keine Rechtfertigung, sondern ein Aufarbeiten persönlicher Erinnerung. Mit dem Buch hat sich die DDR für mich aber erledigt.

Aber warum gehen Sie auf das Ende der DDR, den Mauerfall, gar nicht explizit ein?

Ruge: Das ist hinlänglich durch Bilder bekannt. Wer will denn schon wieder etwas davon lesen?

Sie beenden Ihr Buch im Futur. Werden die Figuren also im nächsten Buch wieder auftauchen?

Ruge: Nein, da geht es um einen anderen Stoff. Aber über meine Pläne möchte ich noch nicht sprechen.

Sind Sie jetzt unter Erfolgsdruck?

Ruge: Nein. Ich gehe viel freier an das nächste Buch heran.

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