Putin zerstört meinen Vater

Pawel Chodorkowski, Sohn des inhaftierten früheren Ölmagnaten, zum Dokumentarfilm über seinen Vater und politische Willkür in Russland.

Herr Chodorkowski, hört uns jemand zu?

Chodorkowski: Bei einem Telefonat von Deutschland in die USA nicht, bei einem Gespräch von Russland in die USA wohl schon. Wenn mein Vater mich anruft, weiß ich bestimmt, dass wir abgehört werden.

Ihr Vater Michail kann Sie anrufen?

Chodorkowski: Ja, das ist eine ganz große Veränderung, seit er an seinen neuen Haftort nahe der finnischen Grenze verlegt wurde. Er kann sich dort eine Telefonkarte kaufen und darf einmal die Woche am Samstag telefonieren, 10 bis 15 Minuten. Aber normalerweise rede nur ich. Er achtet bewusst darauf, nicht über seine Situation im Gefängnis zu sprechen. Er sagt nur, es gehe ihm gut, wir sollten uns keine Sorgen machen.

Was halten Sie von Cyril Tuschis Film über Ihren Vater?

Chodorkowski: Es gibt drei Dokumentationen über meinen Vater. Was diesen Film von den anderen unterscheidet: Er ist sehr künstlerisch gemacht und spricht auch ein normales Kinopublikum an, das sich noch nicht mit dem Fall beschäftigt hat. Manche sagen, der Regisseur ergreife Partei für meinen Vater. Aber mir gefällt, dass er einfach die Fakten darstellt und seine vielen vergeblichen Versuche zeigt, mit der anderen Seite zu reden. Daraus kann jeder seine eigenen Schlüsse ziehen.

Warum halten Sie die Verurteilung Ihres Vaters für politisch begründet?

Chodorkowski: Die Vorwürfe gegen meinen Vater sind unhaltbar. Kein Mensch kann 218 Millionen Tonnen Erdöl unterschlagen. Tatsache ist, dass er sich schon lange vor seiner Verhaftung entschieden hatte, seine Geschäftsaktivitäten zurückzufahren und sich in seiner Stiftung „Open Russia“ für die Erneuerung Russlands einzusetzen. Seine Verhaftung 2003 hat die Opposition entschieden geschwächt. Das war das Ziel. Zugleich hat eine gewisse Clique massiv von der Zerschlagung seines früheren Ölkonzerns Yukos profitiert.

Warum hat sich Ihr Vater nicht rechtzeitig abgesetzt?

Chodorkowski: Er hätte die Chance gehabt. Aber er war felsenfest überzeugt, dass er — weil er unschuldig ist — seine Unschuld auch beweisen kann, wenn er ein faires Verfahren bekommt. Aber das hat er nicht bekommen.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat Russland kürzlich aber einen grundsätzlich sauberen juristischen Umgang mit Ihrem Vater bescheinigt.

Chodorkowski: Das ist nur das halbe Bild. In einem vorhergehenden Urteil im Mai haben die Richter zahlreiche Menschenrechtsverletzungen festgestellt und auch Hinweise auf eine politische Begründung für das Verfahren gegen ihn gesehen. Aber was noch wichtiger ist: Seine Anwälte bereiten eine weitere Beschwerde an das Straßburger Gericht vor, die sich auf den zweiten Prozess im Jahr 2010 bezieht. Und in dem Fall wird es nochmals sehr, sehr viel schwerer für das Gericht, keine politische Motivation zu sehen. Die Beschwerde soll zum Jahreswechsel eingereicht werden, und ich hoffe, es dauert nicht wieder sechs Jahre bis zur Entscheidung.

Putin will im kommenden Jahr in den Kreml zurückkehren. Was bedeutet das für Ihren Vater?

Chodorkowski: Das ist sehr schlecht für ihn. Putin wird alles in seiner Macht Stehende tun, um meinen Vater hinter Gittern zu halten.

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