Chinesischer Dissident Liao Yiwu erhält Friedenspreis
Frankfurt/Main/Berlin (dpa) - Der in China verfolgte Schriftsteller Liao Yiwu erhält den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels 2012.
Der 53-Jährige, der seit vergangenem Jahr in Deutschland lebt, sei ein „unbeirrbarer Chronist“, der Zeugnis ablege „für die Verstoßenen des modernen China“, teilte der Börsenverein des Deutschen Buchhandels zur Begründung mit.
Der renommierte Kulturpreis, der mit 25 000 Euro dotiert ist, wird seit 1950 vergeben. Die Auszeichnung wird zum Abschluss der Frankfurter Buchmesse am 14. Oktober überreicht. Im vergangenen Jahr war der algerische Schriftsteller Boualem Sansal ausgezeichnet worden. Geehrt wird eine Persönlichkeit aus dem In- oder Ausland, die vor allem auf den Gebieten Literatur, Wissenschaft und Kunst zur Verwirklichung des Friedensgedankens beigetragen hat.
Der Buchhandel ehrt in Liao einen Schriftsteller, „der sprachmächtig und unerschrocken gegen die politische Unterdrückung aufbegehrt und den Entrechteten seines Landes eine weithin hörbare Stimme verleiht.“ Liao Yiwu setze in seinen Büchern und Gedichten „den Menschen am Rande der chinesischen Gesellschaft ein aufrüttelndes literarisches Denkmal.“
Liao Yiwu erhielt 1987 von den Behörden erstmals Schreibverbot. Während der Unruhen auf dem Platz des Himmlischen Friedens 1989 schrieb er das Gedicht „Massaker“, das er auf Tonband aufnahm und so im Untergrund verbreitete. 1990 wurde er wegen angeblicher „konterrevolutionärer Propaganda“ zu vier Jahren Haft verurteilt. Im Gefängnis lernte er Flöte spielen und lebte danach als Straßenmusiker. Seine Interviews mit Menschen am Rande der Gesellschaft erschienen 2009 in Deutschland unter dem Titel „Fräulein Hallo und der Bauernkaiser: Chinas Gesellschaft von unten“.
Zur Frankfurter Buchmesse, auf der China 2009 Ehrengast war, durfte der Autor nicht ausreisen, ebenso wenig zur lit.cologne 2010. 2011 flüchtete er über Vietnam nach Deutschland. Die Erinnerungen an seine Gefängniszeit verarbeitete er in dem erschütternden Buch „Für ein Lied und hundert Lieder. Ein Zeugenbericht aus chinesischen Gefängnissen“. Dafür erhielt er im November 2011 den Geschwister-Scholl-Preis.
Die meisten seiner Bücher sind bei S.Fischer in Frankfurt erschienen. Seine Werke seien „getragen von dem unbedingten Willen, Zeugnis abzulegen, und von seinem ungeheuren Vertrauen auf die Rechte des Individuums und die Möglichkeit des respektvollen und friedlichen Zusammenhalts der Menschen“, teilte der Verlag mit. Im Herbst soll das Buch „Die Kugel und das Opium - Leben und Tod am Platz des Himmlischen Friedens“ erscheinen. Es enthält Interviews mit Augenzeugen und Angehörigen von Opfern des Massakers von 1989.
„Schreiben ist ein Weg, nach Freiheit zu streben“, hatte der Autor unmittelbar nach seiner Flucht 2011 in einem Interview mit der dpa gesagt. „Ich bin ein Handwerker der menschlichen Erinnerung.“ Damals ging er davon aus, er müsse „sicher lange im Ausland bleiben“, er sagte aber auch, er wolle später „definitiv“ nach China zurückzukehren.
Bundestagspräsident Norbert Lammert sagte, die Wahl Liao Yiuws setze ein Signal der Ermutigung an Künstler, ) die - oft unter Einsatz ihres Lebens und ihrer Freiheit - für Demokratie und Menschenrechte in ihren Ländern kämpften.