Der Clown mit kritischem Blick
LIEDERMACHER Herman van Veen hat ein nachdenkliches Buch über sein bewegtes Leben geschrieben.
Berlin. Der Liedermacher Herman van Veen (65) wurde von manchen auch die "mobile Zirkuskirche" genannt. Er hat zuerst auf Märkten, Plätzen, in Kneipen oder Kirchen gesungen, und schließlich auch im Pariser Olympia und in der New Yorker Carnegie Hall. Der moderne Troubadour, ein Multitalent in verschiedenen Kunstsparten, erzählt davon in seiner Autobiografie "Bevor ich es vergesse".
Es ist auch ein melancholisches Resümee eines Liedermacherlebens voller "religiöser Poesie", wie es einer seiner Kollegen einmal ausdrückte, eines Mannes, der weiß, "dass ich mein Leben lang Unsinn erzählt habe im Theater" und der dennoch stets darüber nachdachte, "was der Sinn des Unsinns ist". Van Veen, der sich seit Jahr und Tag als Unicef-Botschafter für Kinder in aller Welt einsetzt, verschweigt auch nicht, zwischendurch mal sein seelisches Gleichgewicht verloren zu haben. "Das ist übrigens nicht ungesund. Es ist für jeden Künstler gut, einmal total danebenzuliegen." Und der "Hausmeister im Museum der Gefühle" weiß auch, dass Clowns eigentlich auch nie wirklich lächeln.
Der im holländischen Utrecht geborene van Veen erzählt ausführlich von seiner Kindheit und Schule, seinen frühen Vorlieben für die Beatles, die Stones, Frank Zappa und vor allem Bob Dylan. Und van Veen philosophiert sehr viel über das Leben an sich, Gott und die Welt und sein eigenes Tun ("Was macht ein Komödiant mit seiner Einsamkeit?"). All seine Erlebnisse von früher Kindheit an wurden dem Liedermacher zum künstlerischen Material. Das sei "kein Verarbeiten von Nostalgie und Trauer - Blödsinn". Es gebe eben Menschen, die alles genau beobachten und alles aufschreiben, festhalten, und manche machen auch Lieder dazu.
Van Veen, der - nachdem er eine rechtspopulistische Partei in den Niederlanden mit den Nazis verglichen hatte - zahlreiche Drohbriefe erhielt, sei einer der ersten gewesen, "der die Sprachlosigkeit zwischen Holländern und Deutschen" überwunden habe, heißt es im Klappentext.
In Berlin, wo van Veen nach dem Mauerfall in der wiederhergestellten und von Polizisten geschützten Synagoge sang, zählte der Liedermacher bei seiner Taxifahrt vom Flughafen 17 steinerne Adler an Gebäuden: "gemeißelte Adler, Brustbild des Dritten Reiches, unheimliche Raubvögel, Hitlers Kuscheltiere, stille Zeugen aus Stein, wachsam, allzeit bereit, wie durch Zauberschlag wieder über die Stadt zu fliegen." Aber als er einem Marathonlauf mit Teilnehmern aus aller Welt am Brandenburger Tor zuschaut, resümiert er doch: "Als ich geboren wurde, marschierten hier noch Hitlers Arschlöcher. Als ich 35war, lag hier noch ein Minenfeld... Jetzt stehe ich hier, bin 60Jahre alt und sehe gleichsam eine Welt rennen, als hätte es nie etwas anderes gegeben als dieses ausgelassene Herbstfest."
Van Veen hat eine eher nachdenkliche Autobiografie geschrieben, weniger mit Anekdoten gespickt als vielleicht üblich. Sie endet mit "Fortsetzung folgt".