Dichter im Sog der Sprache

Der österreichische Schriftsteller Christoph Ransmayr erhält den mit 20 000 Euro dotierten Heinrich-Böll-Preis .

Köln. Es ist dieser spezifische Sound, den man nicht vergisst. "Ein Orkan", heißt es in dem Roman "Die Letzte Welt", "das war ein Vogelschwarm hoch oben in der Nacht, ein weißer Schwarm, der rauschend näher kam und plötzlich nur noch die Krone einer Welle war, die auf das Schiff zusprang. Ein Orkan, das war das Schreien und Weinen im Dunkel unter Deck und der saure Gestank des Erbrochenen."

Christoph Ransmayr, dem heute in Köln der mit 20000Euro dotierte Heinrich-Böll-Preis verliehen wird, verfügt über eine Ausdruckskraft von geballter Wucht und Härte, die keine Angst vor großen Bildern kennt. Die Sprache mäandert in gemeißelten Sätzen dahin, ihr Rhythmus entfaltet einen Sog, dem man sich nicht entziehen kann. Mit dem 1988 veröffentlichten Roman "Die letzte Welt" gelang Christoph Ransmayr den Durchbruch.

Das rauschend instrumentierte Szenario aus Verbannung, totalitärer Macht, Überwachung, Brutalität und Gewalt ist apokalyptische Gegenwartsanalyse und Rekapitulation des 20. Jahrhunderts, alles eingekleidet in das Gewand einer fiktiven Antike. Schauplatz ist die "eiserne Stadt" Tomi am Schwarzen Meer, in der der römische Bürger Cotta sich auf die Suche nach dem verbannten Dichter Ovid macht. Auf faszinierende Weise verschränkt Ransmayr Vergangenheit und Gegenwart in einem intertextuellen Spiegelkabinett voller Anspielungen und Bezüge, mit dem dem österreichischen Autor eines der großen Beispiele des postmodernen Romans gelang.

Dass Ransmayr als studierter Philosoph sich mit Horkheimer und der kulturpessimistischen Frankfurter Schule beschäftigt hat, mag da eine Rolle spielen. Doch seine Werke sind zugleich immer auch spielerische Entwürfe. "Literatur hat es immer mit dem Wirklichen und dem Möglichen zu tun", hat der Autor einmal gesagt und in dieser Parallelisierung lebt etwas von Robert Musils Idee des Wirklichkeits- und Möglichkeitssinns fort. Andere Referenzgrößen wären sicherlich Thomas Bernhard oder Hans Henny Jahnn.

Was Christoph Ransmayr über die kritische Haltung gegenüber der Gesellschaft hinaus mit Heinrich Böll verbindet, das wird der Preisträger sicher morgen im Kölner Historischen Rathaus erklären.

Biografisches Christoph Ransmayr wurde am 20. März 1954 in Wels, Oberösterreich geboren. Nach dem Studium arbeitete er zunächst als Mitarbeiter für GEO, Transatlantik und Merian. Seit er 1982 mit "Strahlender Untergang" debütierte, lebt Ransmayr als Schriftsteller, zunächst in Wien, später in West Cork, Irland.

Werk Seine Romane und Prosaarbeiten wurden inzwischen mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, darunter dem Franz-Kafka-Preis, dem Bertolt-Brecht-Literaturpreis und dem Großen Österreichischen Staatspreis für Literatur. Christoph Ransmayrs Werk ist im Fischer Verlag erschienen.