Ehrung für den Dichter Amos Oz: Am Scheideweg zu Hause
In einer Feierstunde wurde dem israelischen Dichter Amos Oz in Düsseldorf der Heine-Preis 2008 verliehen. Richard von Weizsäcker hielt die Laudatio.
Düsseldorf. Wer Amos Oz einen Preis verleiht, kann sich nicht darauf berufen, "nur" seine literarische Leistung zu würdigen. Zu sehr ist Israels wichtigster und engagierter Schriftsteller mit den politischen Zeitläuften verbunden, ob er die Initiative "Frieden jetzt" 1977 oder kürzlich eine neue linke Partei in seinem Land mitbegründet hat. Man kann sich also kaum einen besseren Preisträger für den Heine-Preis 2008 vorstellen.
Die festliche Verleihung in der Tonhalle beließ es jedoch nicht bei der Würdigung des "poète engagé", sondern lotete in den Würdigungen paradigmatisch das Verhältnis von Europa und Judentum aus.
Mit dem ambivalenten Begriffspaar "Nähe und Ferne" bestimmte der Düsseldorfer Oberbürgermeister Dirk Elbers das Verhältnis der Gegenwart wie das der bisherigen Preisträger zu Heinrich Heine. Amos Oz rechnete er dabei zu den Nahestehenden, wobei in den literarischen Verfahren wie im Engagement für Frieden und Menschenrechte das Gemeinsame läge.
In seiner Laudatio übertrug dann Richard von Weizsäcker, früherer Bundespräsident und selbst Heine-Preisträger, diese Ambivalenz auf die Haltung des Dichters. "Was würde ich fühlen, stünde ich auf der anderen Seite?", diese Frage grundiere alle Werke von Oz und befähige ihn zu einem humanen Urteil ohne Fanatismus.
Die historische Erfahrung mache Heine als jüdischen Europäer, bevor es den Begriff gab, und den aus Europa vertriebenen Preisträger "unvergleichbar". Und doch, so Weizsäcker, läge in der Grenzüberwindung ein Brückenschlag; Oz’ Jugend im multikulturellen Jerusalem, sein politisches Engagement sowie die schwierige Annäherung an Deutschland dank der Literatur seien Beispiele dafür.
Nahtlos spann Amos Oz dann diesen Gedanken in seiner Dankesrede fort. Faszinierend, wie er das säkulare Judentum Heines als Paradigma zeitgenössischer Existenz deutete. Skepsis, Humor und das "Zugehörigkeitsgefühl zu zwei oder mehr Kulturkreisen", das sei der "Knackpunkt der Modernität".
Dass Heine den grenzüberschreitenden Judaismus als ein Volk und eine Kultur verstanden habe, mache ihn gar zu einem "Protozionisten". Es gelte, den Zionismus der nationalen Verschanzung und militärischen Auseinandersetzung daran zu erinnern. Provokativ sagte Oz: "Ich bin israelischer Jude. In dieser Reihenfolge."
Das "jüdisch-europäische Millennium" Heines sei allerdings vorbei. Den Europäern habe es Toleranz, Selbstkritik und den Pluralismus der Wahrheiten hinterlassen; in Israel wiederum Demokratie, Bürgerrechte und Rechtstaatlichkeit. Und erst diese Werte seien imstande, den israelisch-palästinensischen Konflikt zu lösen.
"Der Scheideweg ist der einzige Ort, an dem ich zu Hause bin", sagte Amos Oz über sich selbst. Und sollte Israel eines Tages zum befriedeten Schnittpunkt zwischen Ost und West werden, sei dies einer der reichsten und faszinierendsten Orte überhaupt.