Erotik und Abgründiges beim Bachmann-Preis
Klagenfurt (dpa) - Mit Texten über One-Night-Stands und Schwangerschafts-Abneigungen haben am Donnerstag die ersten Lesungen zum 39. Ingeborg-Bachmann-Preis begonnen. Fünf Autorinnen und Autoren aus Deutschland und Österreich trugen zum Auftakt ihre bislang noch unveröffentlichten Texte vor.
Insgesamt treten bei dem Wettbewerb um den prestigeträchtigen Preis im österreichischen Klagenfurt 14 Autorinnen und Autoren vor die Jury.
Den Auftakt machte am Vormittag die in Moskau geborene und in Deutschland lebende Schriftstellerin Katerina Poladjan. Ihre Geschichte „Es ist weit bis Marseille“ begleitet eine Frau, die nach dem Tod ihres Mannes mit einem Fremden ins Bett steigt. Am Ende ist sie mit dem Auto des Mannes verschwunden und er bleibt orientierungslos und desillusioniert zurück. Das Lob der Jury blieb verhalten. „Das ist zu viel für ein bisschen Sex“, sagte der Juryvorsitzende Hubert Winkels. Immerhin: Rowohlt hat bereits angekündigt, den Roman im August 2015 zu veröffentlichen.
Auch Saskia Hennig von Lange (Frankfurt am Main) konnte nicht komplett überzeugen. In „Hierbleiben“ flieht der Protagonist vor der Schwangerschaft seiner Partnerin - um buchstäblich von ihr wegzukommen, heuert er bei einem Umzugsunternehmen an und fährt Möbel durch die Gegend. Jurychef Winkels sah in dem Text eine Tendenz zur Langeweile, sein Kollege Klaus Kastberger wünschte sich mehr Radikalität. Jury-Mitglied Hildegard Keller wiederum fand den „Exodus eines Schwangerschaftsfeindes“ nicht glaubwürdig.
Mehr Erfolg hatte Nora Gomringer. Die in Bamberg lebende Autorin präsentierte einen Text über eine Journalistin, die zum Tod eines Jungen recherchiert, der vom Balkon eines Hochhauses stürzte. Die Ereignisse spielen ausgerechnet zur Zeit des Bachmann-Wettbewerbs, der Text selbst erinnerte an ein Hörspiel. Dafür gab es am Ende viel Applaus und deutliches Lob. „Raffiniert abgründig“, befand Jurymitglied Keller. „Sie packt uns mit hinein.“ Kritisch blieb Kastberger, der sich fragte, ob der Text nicht zu sehr „medien-inszeniert“ und gewieft mit der Situation des Wettlesens spiele - und die Jury ihm womöglich darin „auf den Leim“ gehe.
Am Nachmittag folgte der in Berlin lebende Autor Sven Recker mit „Brot, Brot, Brot“, einem Text über einen Alkoholiker auf Entzug. Den Abschluss bildete die Grazerin Valerie Fritsch mit „Das Bein“, die für ihre Vater-Sohn-Geschichte viel Lob erntete. Der Text über Gustav und seinen einbeinigen Vater war nach Ansicht von Kastberger der „bisher literarischste Text, den wir gehört haben.“
Die Lesungen des Wettbewerbs dauern bis Samstag. Am Sonntag soll dann der nach der österreichischen Schriftstellerin Ingeborg Bachmann (1926-1973) benannte und mit 25 000 Euro dotierte Preis verliehen werden. Im vergangenen Jahr hatte der Cartoonist, Musiker und Reiseschriftsteller Tex Rubinowitz gewonnen.