Erzählungen: Geschichten vom unendlichen Krieg

Israel kennt nur Verwüstungen.

Düsseldorf. Yiftach Ashkenazy wird 1980 in Karmiel im Norden Israels geboren und hat bereits zwei Bücher in deutscher Sprache veröffentlicht: "Die Geschichte vom Tod meiner Stadt" (2007) und in diesem Jahr "Mein erster Krieg". Beide sind auf den ersten Blick unzusammenhängende und dennoch einen Kosmos ergebende Episoden, doch ist man sich sicher: Greift dieser begnadete Autor erst einmal zur Großform des Romans, werden wir mit einer Überraschung beschenkt.

Trotz seiner Jugend ist Ashkenazy geprüft von den Erfahrungen in Militär-Ausbildung und offenbar bereits recht brutal verlaufenen Einsätzen. Jedenfalls handelt "Die Geschichte vom Tod meiner Stadt" von einem jungen Mann, der vom Militärdienst in seine Heimatstadt zurückkehrt. Und die Kleinstadt hat sich völlig verändert, ja man könnte sagen: Ihr Gesicht ist verunstaltet, entstellt von Not, Elend, Zynismus.

Die Sprache des Ich-Erzählers ist entsprechend aggressiv und hart; ungerührt ist da eine Frau "die Schlampe". Verächtlich läuft er an Homosexuellen, Lesben und Heteros vorbei, auch der Partnertausch ist kein Thema. "In diesem Land können sämtliche schlimmen Dinge passieren", resümiert er, aber nachts verändert sich die Welt: "Die Poetik dieser Stadt ist jetzt gut zu hören."

Aber so verkommen und schmutzig auch alles sein mag: Ausgerechnet dieser junge Mann arbeitet an einer Doktorarbeit zur Geschichte Palästinas und des byzantinischen Glashandels. Es ist verblüffend, welche Rolle nicht nur die Sexualität, sondern auch die Gewalt hier spielt. Sex auf einem Ledersofa in einem fremden Haus, überhaupt: "mindestens zweimal am Tag".

Im 18. Kapitel erfährt man dann, dass der Erzähler, gefragt danach, "ob er von der Familie Ashkenazy" ist, und zwar "Yiftach, der mittlere". Und dass der Vater tot ist. Dass er sich sehnt "nach lebendigen und toten Menschen, ganz egal". So endet der Band mit größter Melancholie und der Sehnsucht nach Erbarmen.

Das spitzt sich im neuen Band noch zu. Auch hier zeichnen Gewalt und Sex, Sex und Tod das Leben der Menschen, Terroranschläge und mangelnde Versorgung. In allen sechs Geschichten landen ein oder zwei Menschen auf der Intensivstation des Rambam-Krankenhauses in Haifa. Der Ton und Umgang der Ärzte und Pfleger gegenüber den Juden und Ausländern ist rüde und verletzend. In jedem Kapitel vollendet sich - unter Schmerzen - ein Leben, begonnen mit dem Rabbi und einem jungen Soldat.

Ein Junge stirbt an Leukämie, weil keiner sich zu helfen weiß. Unerhörtes geschah im so genannte Susi-Hain, wo sich ein junges Mädchen in seiner Verzweiflung erhängt und der Ich-Erzähler die dumpfe Überzeugung hat, sein Vater habe es vorher vergewaltigt. Alle sind miteinander verknüpft wie in einem persischen Teppich. Das ist starke, unerbittliche Literatur, die den Menschen kompromisslos in seiner Hinfälligkeit und Vergänglichkeit verortet. Man zittert dem nächsten Band entgegen.

Yiftach Ashkenazy: "Die Geschichte vom Tod meiner Stadt", 127 Seiten, je 7 Euro, "Mein erster Krieg", 176 Seiten, 7 Euro, brosch., beide Sammlung Luchterhand