Exzesse in bester bourgeoiser Gesellschaft
Philippe Djian hat in seinem aktuellen Roman „Wie die wilden Tiere“ zu einem neuen Stil gefunden — und bleibt sich dennoch treu.
Düsseldorf. Eine junge hübsche Frau stellt die langjährige Freundschaft dreier Egozentriker in der Midlife-Crisis auf die Probe. Marc ist ein angesagter Pariser Künstler, der sich viel für Partys, Alkohol und Drogen in allen Variationen interessiert, — aber leider weniger für seinen Sohn. Der 19-jährige Alexandre erschießt sich kurzerhand vor den Augen seines Vaters.
Das ist der dramatische Ausgangspunkt von Philippe Djians neuem Roman „Wie die wilden Tiere“, der mal tragisch, mal komisch und mitunter spannend wie ein Krimi daherkommt.
Marcs Leben ändert sich unverhofft, als Gloria — Alexandres Freundin — in sein Leben tritt. Er nimmt sie bei sich auf, um wiedergutzumachen, was er bei seinem Sohn verbockt hat. Aber was führt Gloria im Schilde? Nichts Gutes, vermuten Anne und Michel, die das Schicksalstrio komplettieren. Sie sind Marcs beste Freunde und Galeristen.
Tagsüber arbeiten, abends Exzesse in bester bourgeoiser Gesellschaft. Die Lebens- und Liebeskrisen werden durch Glorias Präsenz nur verstärkt: Anne, die einst mit Marc liiert war, ist eifersüchtig auf das junge Ding, zumal sich ihr Mann Michel in Gloria verguckt — und das ärgert auch Marc, der Gloria als seine Schwiegertochter sieht. Schlechte Vorzeichen für ein Freundesquartett.
Djians Sprache ist klar und ungeschnörkelt. Die Vergleiche, die er dosiert einsetzt, sind originell und passend: Als es brennt und Gloria geschwächt einige Schritte geht, beschreibt Djian sie wie Schritte eines „Fohlens, das eben aus dem Leib seiner Mutter gefallen war“. Der Stil, das Wie, ist das, was zählt, betont der französische Schriftsteller, der im Jahr 1985 mit „Betty Blue“ weltbekannt wurde, immer wieder.
Und so hat er für seinen aktuellen Roman ein ganz eigenes Stilmittel erfunden: eine Faust mit ausgestrecktem Zeigefinger. Sie zeigt an, wenn der Autor den Blickwinkel wechselt.
Er liefert dem Leser die Geschichte aus einer neutralen Beobachter-Perspektive und aus Marcs Ich-Perspektive, seine Gefühlen, Sorgen, die späte Einsicht, dass die Erziehung des Sohnes nicht mehr als „Dienst nach Vorschrift“ war. „Ich hatte mich damit begnügt, seine Vitalfunktionen zu kontrollieren.“ Harte, aber klare Worte. Der Stil führe zur Geschichte, er habe keine Intentionen, sagt Djian.
Doch natürlich hat „Wie die wilden Tiere“ eine Botschaft: Er zeigt egozentrische Erwachsene, die am liebsten ewig jung sein wollen, wenn sie jeden Abend zu hipper Musik headbangend tanzen und koksen, zumindest aber coole Eltern — und die Jugendlichen, die das alles nur peinlich finden, überheblich, und das Herablassende der Erwachsenen verabscheuen. Ein dramatischer, absolut lesenswerter Konflikt der Generationen.