„Fucking wütend“ - Junger dänischer Dichter unter Morddrohungen

Leipzig (dpa) - Yahya Hassan, 18 Jahre, ist in wenigen Monaten zum bekanntesten Poeten Dänemarks geworden.

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Die Gedichte, in denen der junge Palästinenser gnadenlos mit seiner rückständigen Erziehung im muslimischen Migrantenghetto des Landes abrechnet, haben für Aufsehen gesorgt. Mehr als 30 Morddrohungen von Islamisten hat Hassan inzwischen erhalten.

Auch zur Leipziger Buchmesse kann der preisgekrönte Autor am Freitag nur unter strengem Polizeischutz kommen. Vier dunkle Männer mit Knopf im Ohr folgen ihm auf Schritt und Tritt, als er erstmals aus seinem gerade auf Deutsch erschienen Gedichtband liest. „Ich liebe euch nicht Eltern. Ich hasse euer Unglück/Ich hasse eure Kopftücher und eure Korane.“

Unauffällig steht der junge Mann da, groß und schlaksig, die dunklen Haare hinten zusammengebunden - ein Kind, das viel zu früh erwachsen werden musste. Im schlimmsten Migrantenviertel Dänemarks als Sohn palästinensischer Flüchtlinge aufgewachsen, wird er regelmäßig von seinem Vater verprügelt, gequält und schikaniert.

Der Junge flieht auf die Straße, fängt an zu gaunern und zu stehlen und landet mit 13 erstmals im Heim. Es folgt eine düstere Karriere unter staatlicher Obhut, bis eine Lehrerin sein literarisches Talent entdeckt. „Es war, als wäre eine alte Wunde aufgerissen worden und die Worte kamen nur so aus mir herausgesprudelt. Wütende Worte“, erzählte er der dänischen Zeitung „Politiken“. „Ich bin fucking wütend auf die Generation meiner Eltern.“

Auf der kleinen Bühne in der Glashalle der Leipziger Messe ist ihm diese Wut nicht anzumerken. Mit gleichmäßigem, fast gebetsartigem Rhythmus trägt er seine Gedichte vor, jedes Wort betonend, so wie im Text jeder Buchstabe groß geschrieben ist. Und doch vermitteln diese einfachen, reimlosen Zeilen das erschütternde Gefühl bodenloser Verlorenheit. „Ich selbst schuf das Schuldlose/Mein Name ist Yahya Hassan/und meine Eltern wünschten ich wär nicht geboren/und ich wünschte das gleiche für sie.“

Er werfe seiner Familie nicht vor, dass er auf die schiefe Bahn geraten sei, sagte Hassan der Nachrichtenagentur dpa. Das sei seine eigene Verantwortung. „Aber durch die religiöse Indoktrination schaffen sie einen Graben zwischen unserer Generation und denen, die sie die Ungläubigen nennen.“

Im kleinen Dänemark sind von dem Buch inzwischen mehr als 100 000 Exemplare verkauft worden, nach Angaben des Gyldendal Verlags der bestverkaufte Gedichtband aller Zeiten. Das Land, in dem Kurt Westergaard, der Zeichner einer der sogenannten Mohammed-Karikaturen, 2010 nur knapp einem Mordanschlag entging, ist hellhörig bei diesen Themen.

Und auch in Deutschland ist schon am Tag des Erscheinens die dritte Auflage geplant. „Der Ullstein Verlag hat es sich zum Programm gemacht, gesellschaftliche Debatten zu begleiten oder sogar anzustoßen. Deshalb freuen wir uns sehr über das Buch“, sagt Pressesprecherin Christine Heinrich. „Die Probleme, die es in Dänemark gibt, rufen auch in anderen Ländern zu Wachsamkeit auf.“

Yahya Hassan versucht, bei all dem Aufruhr um seine Person Ruhe zu bewahren. In einer Situation, in der er von Staats wegen bewacht werden müsse, habe er natürlich Angst, gestand er. „Aber ich wußte genau, dass das kommt. Das ist Teil des Gedichte-Schreibens.“

- Yahya Hassan, Yahya Hassan, Ullstein Verlag Berlin 2014,
176 Seiten, 16,00 Euro, ISBN 9783550080838.