Uwe Schulz Gespräche an der Schwelle des Todes

Der WDR-Moderator Uwe Schulz hat ein Buch geschrieben, für das er im wahrsten Sinne des Wortes letzte Gespräche geführt hat — mit Sterbenden und ihren Begleitern.

Wuppertal. Das Schöne an Uwe Schulz’ Beruf ist: Obwohl er täglich mehr als eine Million Menschen erreicht, kann er unerkannt und unbehelligt im „Katzengold“ im Wuppertaler Luisenviertel Cappuccino trinken. Erst wenn er spricht, heben sich ein oder zwei Köpfe und erkennen die Stimme, die bei WDR 2 meist morgens im Tagesprogramm und am Samstag moderiert.

Schulz hat eine helle freundliche Stimme, in der häufig ein feiner ironischer Ton mitschwingt. Spöttisch klingt diese Stimme aber nie. Für sie könnte das schöne alte Adjektiv „mokant“ erfunden worden sein. Das ist im Radio nicht immer ein Vorteil, weil Schulz oft schneller redet, als Gesprächspartner und Zuhörer seinen sanften Spitzen überhaupt folgen können. Das macht nichts. WDR 2 hat ein Publikum, das lausbübische Intelligenz auch einfach mal verzeiht.

Neben diesem bekannten Uwe Schulz, der fast nur aus dieser netten Stimme besteht (auf seiner Internetseite nennt der Moderator sich „Radiogesicht“), gibt es einen ernsten, weniger bekannten Uwe Schulz, der zwei Bücher über den von den Nazis ermordeten Theologen Dietrich Bonhoeffer geschrieben hat und auf seinem Handy eine App installiert hat, die täglich die „Herrnhuter Losungen“ anzeigt. Kleine Texte aus dem Alten Testament, die die überkonfessionelle Glaubensbewegung seit dem 18. Jahrhundert für jeden Tag auslost. „Gucken Sie mal“, sagt Schulz und erklärt die App, „finde ich sinnvoller als Horoskope.“ Er trägt das nicht vor sich her. Besonders religiös sei er gar nicht, sagt Schulz, aber mit Jesus könne er viel anfangen. „Jesus hatte den größten Zoff mit den Religiösen“, sagt Schulz.

Sein jüngstes Buch handelt vom Sterben. „Nur noch eine Tür“ versammelt Gespräche mit Sterbenden und Menschen, die Sterbende begleiten. Das Schönste selbst an so einem ernsten Buch von Uwe Schulz ist: Man liest seine Stimme mit. Seine Gesprächspartner sind sehr junge Krebspatienten, ein alternder Mörder, eine Ordensschwester, die in den USA zum Tode Verurteilte begleitet, die Mutter eines Sterbenden Kindes und der CDU-Politiker Wolfgang Bosbach. Schulz spricht mit ihnen über das Leben, das Sterben, viel über Gott.

Es sind großartige, bewegende Gespräche, die nicht nur von den Antworten leben, sondern vor allem davon, dass der Fragesteller seine Furcht überwunden hat, Fragen zu stellen. So lässt er die anderen zu Wort kommen. Dafür reicht es nicht, eine freundliche Stimme zu haben. Dazu braucht es viel Mensch. Das Thema bewege ihn, antwortet Schulz auf die Frage nach der Motivation für dieses Buch, und er sei damit auch noch nicht fertig.

Gibt es etwas Gemeinsames, das allen Sterbenden gleich ist? „Keiner hat gesagt, es sei leicht“, sagt Schulz. Am besten kämen aber wohl wirklich gläubige Menschen klar. „Die haben einen Gott, der den Schmerz und das Sterben kennt. Jesus hat das ja alles selber mitgemacht“, sagt Schulz. Das Buch endet am Karfreitag 2009, wenige Wochen nach dem Tod von Uwe Schulz’ Mutter. Der Sohn beschreibt das irritierende Gefühl, in der Trauerhalle gemeinsam mit einem Fremden zu weinen, aber nicht um denselben Menschen.

Er räumt mit vielen Verklärungen, trostlosen Tröstungen und der „Geschwätzigkeit des Todes“ auf. Und mit viel falscher Scham, vielleicht ist das dann doch — am Ende — das Wichtigste: Sich im Sterben nicht mehr schämen zu müssen. Und für die Trauernden vielleicht Schulz’ Satz: „Wichtig ist nur, was dich berührt, nicht, was dich beschäftigt.“ Man kann ihn hören, wenn man es liest.