Harry Potter: Eine Saga ist mehr als ihr Schluss

Kritik: J. K. Rowling gelingt mit „Harry Potter and the Deathly Hallows“ ein spannender Thriller.

Düsseldorf. Der Tod weicht nicht von seiner Seite. Sieben Bücher lang. Harry Potter verliert Menschen, die er liebt und braucht: seine Eltern Lily und James, den Paten Sirius Black und sogar Lehrmeister Albus Dumbledore. Kein Wunder also, dass vor dem Erscheinen von "Harry Potter and the Deathly Hallows" Freund und Feind des Zauberlehrlings nur eine Frage hysterisch diskutiert haben: Stirbt Harry Potter im finalen Duell mit Lord Voldemort? Doch im letzten Band erzählt J. K. Rowling viel mehr als nur ein Ende. Sie schließt ihre Saga mit einer ebenso spannenden wie klugen Geschichte und beweist, wie durchdacht und vielschichtig sie ihr Potter-Universum einst konzipierte.

Harry ist kein Kind mehr. Kurz vor seinem 17. Geburtstag nimmt er endgültig Abschied von seinen Muggle-Verwandten. Allerdings geht es nicht nach Hogwarts. Der böse Lord ist ihm auf den Fersen, er muss sich verstecken. Schon nach den ersten Kapiteln steht fest: Es ist vorbei mit Zauberstreichen und Weasley-Schabernack, ein actionreicher Thriller mit vielen Wendungen erwartet die Leser. Mit einem spektakulären Verwandlungstrick versuchen Harry und seine Gefährten die Mächte des Bösen zu verwirren. Das Risiko ist hoch, bereits jetzt fordert der Kampf Todesopfer.

Harmlosen Kinderspaß hat Rowling nie geschrieben. Sie begnügt sich nicht mit Gut und Böse, zeigt helle und dunkle Seiten ihrer Figuren. So erfährt Harry Dinge über Dumbledore, die das Denkmal deutlich bröckeln lassen: Ehrgeiz und Allmachtsphantasien haben sein Vorbild getrieben. Auch an der Aufgabe, die der große Magier Harry, Hermine und Ron aufgetragen hat, zweifelt der Erwählte. Warum hat ihm Dumbledore nicht gesagt, wo er nach den Horkruxen suchen soll? In ihnen hat Voldemort Teile seiner Seele gesichert. Nur wer sie zerstört, kann die Welt der Zauberer befreien.

Voldemort hat inzwischen die Macht im Zaubereiministerium übernommen. In der bedrückenden Atmosphäre seiner Diktatur spielt sich der Alltag ab: grausame Verhöre nicht reinrassiger Magier, steile Karrieren altverhasster Bekannter und brutale Disziplinierungen freigeistiger Schüler. Auf der anderen Seite wirkt der Widerstand im Untergrund: Es gibt den illegalen Radiosender Potterwatch, Hochzeiten werden gefeiert, Kinder geboren. Harrys Liebe hat in diesen Zeiten keinen großen Stellenwert: Zwar schenkt Ron seinem Freund zum Geburtstag einen Ratgeber für Herzensangelegenheiten. Seine Romanze mit Ginny muss sich der jugendliche Held aber aus dem Kopf schlagen, schließlich ist er für anderes bestimmt.

Kapitel für Kapitel führt Rowling lose Enden aus den vorherigen Büchern zusammen: Da bekommt Harrys Mantel, mit dem er sich unsichtbar machen kann, eine sagenhafte Geschichte. Die Rätsel um Severus Snapes Gesinnung klären sich - nicht mit einem Clou, sondern mit zartfühlender Einsicht in das Leben. Dass Rowling ein Ende gewählt hat, das viele Schlussbesessene enttäuscht, passt zu ihrem Werk. Zum einen hat sie immer für Kinder geschrieben, die sie nicht mit Harrys Tod alleine lassen konnte. Zum anderen ist das Leben auch in der Zauberwelt viel mehr als nur Gut und Böse.

J. K. Rowling: Harry Potter and the Deathly Hallows, Bloomsbury, 607 Seiten, etwa 19 Euro