Richard Ford jammert im Nebensatz

Der amerikanische Pulitzerpreisträger enttäuscht mit seinem neuen Roman „Die Lage des Landes“. Darin kämpft der Protagonist Bascombe gegen den Krebs und sich selbst.

Düsseldorf. Richard Fords neuer Roman beginnt mit einem Knall: Im Prolog fragt ein Amokläufer seine Lehrerin: "Bist Du bereit, Deinem Schöpfer gegenüber zu treten?" und sie antwortet: "Ja, ich glaube, ja." Darauf erschießt er sie. Die Frage, wie sie zu dieser Gewissheit gelangen konnte, ist Anlass für die folgende Reflexion des Ich-Erzählers über Leben und Tod.

"Die Lage des Landes" ist Fords dritter Roman über Frank Bascombe, für den zweiten ("Unabhängigkeitstag") erhielt er den Pulitzer Preis und international euphorische Kritiken. Doch sein neuester Roman enttäuscht. Das hat drei Gründe:

Bascombe bekommt gleichzeitig eine Prostatakrebs-Diagnose und den Laufpass von seiner Frau Sally und ergeht sich fortan in einem bisweilen nervigen Selbstmitleids-Gejammer im Nebensatz. Er erwähnt die Krankheit immerzu, jedoch nur beiläufig. Denn er will sich nicht eingestehen, dass er so geworden ist wie die von ihm wortreich Verachteten ("Krankheit ist etwas, worüber andere klagen."). So droht "Die Lage des Landes" zu einer Midlifecrisis auf 682 Seiten zu werden. Der Tod lauert überall, in jedem Kapitel ein neues Memento Mori - der einzige gleichaltrige Freund Bascombes ist bezeichnenderweise Bestatter.

Der Makler Bascombe will das unstete Leben hinter sich lassen und in die "Permanenzphase" übertreten, deren Philosophie er mit den Worten zusammenfasst: "Wenn einem etwas einfach nicht aus dem Kopf geht, kann man es wenigstens ignorieren und rechtzeitig ans Abendessen denken." Der Inbegriff der Permanenzphase ist Thanksgiving, der Tag des Truthahns. Von den drei Tagen bis zu dem Feiertag handelt der Roman.

"Die Lage des Landes" wirkt statisch, beinahe lethargisch. Denn Ford lässt Bascombe meandern zwischen Erinnerungen an Treffen mit seinem Grußkarten textenden Sohn, den er irgendwie merkwürdig findet, und mit seiner gelegentlich lesbischen Tochter Clarissa, auf dessen Ex-Freundin Bascombe steht (außerdem auf die neue, handamputierte Freundin seines Sohnes).

Immerhin finden sich einige brillante Dialoge, etwa zwischen Bascombe und der Kellnerin Termite in einer Lesbenbar. Wunderbar absurd auch die Szene, in welcher der totgeglaubte Exmann von Bascombes Nochehefrau Sally plötzlich wieder auftaucht und sich bei ihnen einquartiert. Doch diese Juwelen werden begraben unter langen Abhandlungen über das Maklerdasein und Reflexionen beim Autofahren über Straßenschilder wie "Die Zukunft war eine Bombe". In Klammern führt Ford fort, was nicht mehr in den Nebensatz passte.

Dabei fehlt es der Handlung vor allem im ersten Teil an Substanz. Der Grund dafür ist, dass Ford seine Geschichte mit unwichtigen Details überfrachtet. Muss der Leser wirklich erfahren, was auf dem Schwarzen Brett in dem Golfclub steht, in dem Bascombe seine Exfrau Ann trifft?

Gepriesen wurde Ford für seine Gabe, Personen im Nebenbei zu charakterisieren. In "Die Lage des Landes" drängen sich die Beschreibungen in den Vordergrund, besonders auffällig bei der minutiös dokumentierten Kleidung auch der kleinsten Randfigur. Endlose Adjektivketten - Bascombes Wohnort Sea Clift wird als "saisonal, inselhaft, pendlerfrei, stabil und aufstrebend" beschrieben - wirken im Einzelnen frech, in der Masse wie eine Anleitung aus einem Kurs für kreatives Schreiben.

Autor Richard Ford wurde am 16. Februar 1944 in Jackson, Mississippi, geboren und gilt als einer der erfolgsreichsten amerikanischen Autoren dieser Zeit.

Titel "Die Lage des Landes", Berlinverlag, 682 S., 24,90 Euro