Heimat ist etwas Bewegliches

Hellmuth Karasek über sein Buch „Vom Küssen der Kröten“.

Herr Karasek, kennen Sie Germanys Next Topmodel? In der vergangenen Staffel mussten die Schönheiten erdbraune Kröten küssen und dabei sexy aussehen.
Hellmuth Karasek: Habe ich leider verpasst. Dafür habe ich "Deutschland Sucht Den Superstar" intensiv verfolgt. Für Linda haben meine Frau und ich sogar angerufen. Leider hat sie nicht gewonnen.

Wie kommen Sie zu Ihren Glossen-Themen?
Karasek: Ich schreibe über das, was mir vor die Flinte kommt. Die meisten Themen finde ich durch gründliche Zeitungslektüre.

Wann ist eine Glosse perfekt?
Karasek: Immer dann, wenn es gelingt, einen kleinen Sachverhalt so stark zu vergrößern, dass er über sich selbst hinausweist.

Wie der Kartoffelsalat, den Sie beschreiben?
Karasek: Genau! Ein Kartoffelsalat kann ein wunderbares Bild für Heimat sein, für Sehnsucht - wie bei mir auf meiner Südamerika-Reise auf der MS Europa.

Sie schreiben, ein Kartoffelsalat müsse "schlonzig" sein. Was bedeutet das?
Karasek: Der Kartoffelsalat muss einem entgegenschmecken, elegant, nussig, er muss warm sein. Das ist schlonzig. Und das erzeugt bei mir ein diffuses Heimatgefühl - Erinnerungen an meine Jugend in Oberschlesien und die Zeit als Chefdramaturg am Württembergischen Staatstheater. Heimat ist ja etwas Bewegliches.

Glossen sind eine Art Angriff. Schon einmal Ärger bekommen?
Karasek: Gerade habe ich eine Klage von Gerhard Schröder laufen, der sich über eine meiner Glossen aufgeregt hatte. Wegen des schwebenden Verfahrens kann ich dazu nichts sagen. Die Glosse ist in dem Büchlein allerdings abgedruckt - unter dem Titel "Was uns stinkt und nicht stinkt".

"Vom Küssen der Kröten" - beschreibt das die Arbeit eines Glossenschreibers?
Karasek: Zumindest ist es meine Art, keine Kröten schlucken zu müssen. Die Glosse gibt mir die Möglichkeit, mich mit einem Ärgernis so auseinander zu setzen, dass ich nichts zu schlucken habe. Alles ändere wäre schlimm. Schon bei Froschschenkeln und Schnecken muss ich würgen!

Nach Ihrem Buch "Süßer Vogel Jugend" sagten Sie, Sie hätten sich damit mit dem Alter abgefunden. Ist "Vom Küssen der Kröten" Ihr Abschied von den Glossen?
Karasek: Keinesfalls. Nee, nicht überbewerten. Das ist einfach ein kleines Buch, in dem einige Glossen noch einmal nachgelesen werden können. Viel lieber würde ich über mein aktuelles Buch sprechen.

Und zwar?
Karasek: Männer. Und wie diese durch die Zeiten so ticken. Das ist mein Thema. Ich habe zwei Ansätze: Die Tagebücher des wunderbar verdorbenen Samuel Pepys (lebte im 17. Jahrhundert, wurde als Tagebuchautor und Chronist der Zeit unter König Karl II. von England bekannt) und das Bild "Der Tod des Sardanapal" des Malers Eugène Delacroix. Es zeigt den babylonischen König Sardanapal, der sich in einer ausweglosen Situation selbst verbrennt - mit all seinen Schätzen - und seinen Konkubinen.

Typisch männlich?
Karasek: Das werden wir sehen. Ich werde es aufschreiben.

Haben Sie in Düsseldorf ein Thema für eine Glosse gefunden?
Karasek: Vielleicht das Fehlen der Mücken in meinem Zimmer im Hotel Lindner am Rhein. Ich habe trotz der Hitze bei geschlossenen Fenstern geschlafen. Am nächsten Tag erklärte mir ein Taxifahrer, dass Mücken nicht bis in die 6. Etage kommen. Fehlende Bildung lässt einen eben leiden.