Heinz Strunk: „Hass ist ein starkes Wort“
Ein letztes Mal blickt Autor Heinz Strunk zurück auf seine Kindheit und Jugend in Hamburg. Sein nächstes Buch wird nicht biografisch.
Hamburg. Rauchen wie ein Schlot, und die mütterliche Psychosen als jahrelange Katastrophe: Die Hauptfigur in Heinz Strunks autobiografischem Roman „Junge rettet Freund aus Teich“ ist das Gegenstück zu den Helden der üblichen Jugendbücher. Unsere Zeitung sprach mit dem Autor des Bestsellers „Fleisch ist mein Gemüse“ über seelische Abhängigkeiten, unerreichbare Wundermenschen und Karriere-Zufälle.
Herr Strunk, für das neue Buch legten Sie Ihr Alter Ego ab und wurden wieder zu Mathias Halfpape. Mit welchen Gefühlen haben Sie Ihre Kindheit aufgeschrieben?
Heinz Strunk: Die Erinnerungen waren jedenfalls nicht schmerzhaft, sondern eher melancholisch-sentimental. Ich wollte die Kindheit als Ort des Glücks beschreiben, aber die dramatischen Einbrüche wie der Wechsel von der Grundschule aufs Gymnasium und den Einbruch der Pubertät und Sexualität nicht ausklammern. Der Frieden und das Glück der Kindheit werden dadurch aus den Angeln gehoben. In meinem Fall kamen noch die Krankheit der Mutter und die Gebrechlichkeit der Großeltern als dramatische Vorfälle dazu. Aber mein Lebensmotto ist: Nichts war umsonst. Heute bin ich froh, dass ich sogar aus den toten Jahren der Tanzmusik etwas schöpfen konnte. Dies ist jedoch das letzte biografisch geprägte Buch. Meine Lebensgeschichte ist jetzt auserzählt und ich werde mich fiktionalen Stoffen zuwenden.
Ihre Erinnerungen sind äußerst präzise. Mit welcher Methode haben Sie Ihrem Gedächtnis auf die Sprünge geholfen?
Strunk: Ich habe in Stichworten alles aufgeschrieben, dessen ich habhaft werden konnte und dann versucht, es zu einer stringenten Geschichte zu verknüpfen. Für die Lücken, die sich auftaten, habe ich mir etwas ausgedacht. Das erste Drittel aus der Perspektive des Sechsjährigen wollte ich unbedingt in einem kindlichen Tonfall erzählen. Es sind kaum Gags drin, denn Kinder sind nicht zur Ironie fähig.
Psychologen sagen, kaum eine Beziehung sei prägender als die zur Mutter. Wie hat Sie das geprägt?
Strunk: Ich war ein Einzelkind und sie war alleinerziehend. Da ist die Bindung noch stärker. Ich würde sogar von einer seelischen Abhängigkeit sprechen. Im Buch beschreibe ich anhand der immer mehr ausufernden Schularbeiten-Kontrolle, welche Macht meine Mutter über mich hatte. Dieses gnadenlose Nachbohren hat das Verhältnis zu meiner Mutter ab der Pubertät geprägt.
Ist das Ihr Kindheitstrauma?
Strunk: Eher mein Jugendtrauma. Meine Mutter wurde krank, als ich zwölf war. Damit war die Kindheit für mich vorbei. In dem Alter mit einer schweren psychischen Störung konfrontiert zu werden ist einschneidend.
Ihre Lehrer beschreiben Sie als ziemliche Fieslinge. Haben Sie die Schule gehasst?
Strunk: Hass ist ein starkes Wort. Ich hatte Angst, weil ich nicht mitgekommen bin. Nach der sechsten Klasse bin ich auf die Realschule gewechselt, aber die siebte und achte Klasse waren genauso mies. Ich wurde immer nur ganz knapp versetzt. Erst als ich aufs Gymnasium wechselte, hat es das erste Mal ein bisschen Spaß gemacht.
Eigentlich würde man bei Ihrer Vorgeschichte erwarten, dass Sie am Leben scheitern. Wie haben Sie die Kurve gekriegt?
Strunk: Mein Leben ist nicht das Ergebnis eines Masterplans, den ich irgendwann mal geschmiedet habe. Es ist eher das Ergebnis von unglaublichen Zufällen, Glück und Beharrlichkeit. Insbesondere, dass ich Menschen wie Rocko Schamoni getroffen habe, die mir weitergeholfen haben. Rocko war in vielen Dingen schon sehr viel weiter. Und als ich mit 40 total am Ende war und dachte, jetzt passiert gar nichts mehr, riet mir eine Freundin, mal ein Buch zu schreiben.