Hype um wiederentdeckten Roman von Harper Lee
New York (dpa) - Mehr als 50 Jahre nach dem Welterfolg „Wer die Nachtigall stört“ ist der mit Spannung erwartete zweite Roman der Pulitzer-Preisträgerin Harper Lee (89) erschienen.
Vor zahlreichen Buchläden in den USA und Großbritannien bildeten sich schon am frühen Dienstagmorgen Schlangen von Menschen, die das Buch „Go set a Watchman“ („Gehe hin, stelle einen Wächter“) kaufen wollten.
Das Buch, dessen Veröffentlichung die „New York Times“ als „eines der größten Ereignisse im Verlagswesen seit Jahrzehnten“ gefeiert hatte, erscheint in den USA mit einer enormen Startauflage von zwei Millionen Exemplaren. Die deutsche Version (Verlag DVA) kommt am Freitag mit einer Startauflage von 100 000 Exemplaren in die Buchläden. „Die Spannung ist enorm“, sagte Verlagssprecher Markus Desaga in München. „Ich gehe mal davon aus, dass wir bald auf der Bestsellerliste stehen.“
Der Roman war schon vor dem Erscheinungstermin der am häufigsten vorbestellte in der Geschichte des US-Verlags HarperCollins, und auch bei der US-Version des Onlinehändlers Amazon ist in diesem Jahr noch kein Buch häufiger vorbestellt worden. Überall in den USA und Großbritannien feierten Buchläden und Kulturhäuser das Erscheinen des Romans mit längeren Öffnungszeiten, Partys, Lesungen und Diskussionsveranstaltungen.
„Ich bin Englischlehrerin und gehe davon aus, das ich das Buch im Unterricht benutzen werde“, sagte eine Frau, die schon um sieben Uhr morgens an der Spitze der Schlange vor einem Buchladen im New Yorker Stadtteil Brooklyn stand, der Deutschen Presse-Agentur. „Ich bin sehr gespannt drauf und werde noch heute anfangen zu lesen.“
Autorin Lee, die gesundheitlich stark angeschlagen und zurückgezogen in einem Altenheim in ihrem kleinen Heimatstädtchen Monroeville im US-Bundesstaat Alabama lebt, hatte „Gehe hin, stelle einen Wächter“ bereits vor „Wer die Nachtigall stört“ geschrieben - es ist eine Art erster Entwurf des Weltbestsellers. Viele der Hauptfiguren aus „Wer die Nachtigall stört“ tauchen in „Gehe hin, stelle einen Wächter“ ebenfalls auf, zeitlich ist es allerdings später angesiedelt. Das lange verloren geglaubte Manuskript war erst vor kurzem wiederentdeckt worden.
Erste Rezensionen lösten bereits vor der Veröffentlichung heiße Diskussionen aus. Hauptfigur Atticus, der in „Wer die Nachtigall stört“ ein Vorkämpfer gegen Rassismus und für Menschenrechte ist, zeigt sich in „Gehe hin, stelle einen Wächter“ einige Jahrzehnte später als Rassist. Diese Wendung könnte Fans abschrecken und das Vermächtnis von Autorin Lee in Gefahr bringen, schrieb bereits die „New York Times“.