Spannungsliteratur Krimi-Jahr 2018: Von Kluftinger bis Clinton

Berlin (dpa) - Geht man davon aus, dass Krimis und Thriller ebenso wie andere Literatur Sittengemälde sind, scheint es angesichts anhaltender Beliebtheit des Genres um die Moral der Gesellschaft schlecht bestellt.

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Immerhin nimmt die Spannungsliteratur nach Schätzungen des deutschen Börsenvereins fast ein Drittel der veröffentlichten Buchtitel der letzten Jahre ein. Doch finster muss man die Entwicklung nicht sehen, sondern eher als ein Ventil, das Spannungen lösen kann. Ein wohliges Gruseln beim Lesen eines Krimis oder der Nervenkitzel, der das Schlafbedürfnis toppt und die Nacht zum Tag macht, vor allem aber (und überwiegend) die befreiende Aussicht auf „alles wird gut“ sind probate Argumente für Autoren, sich diesem allseits geschätzten Genre zuzuwenden.

Zu jenen wird sich im Krimi-Jahr 2018 auch ein Ex-Präsident der USA gesellen, der womöglich aus dem Nähkästchen plaudert. Bekanntlich ist nicht alles koscher, was sich im Weißen Haus abspielt. Und so wird Insiderwissen zu True Crime. Bill Clinton, der gemeinsam mit dem von der Auflage her kaum zu überbietenden Starautor James Patterson den Thriller „The President Is Missing“ (Droemer) geschrieben hat, wird sein Werk am 4. Juni weltweit vorstellen. Noch vor Erscheinen des Buches wurden bereits die Serienrechte an die Filmproduktion Showtime verkauft.

Von Joyce Carol Oates, die am 16. Juni 80 Jahre alt wird, ist im Mai mit „Pik-Bube“ ihr neuester Thriller zu erwarten. Die Amerikanerin hat einen Schriftsteller zum Helden gemacht, der sich mit Hilfe eines Phantoms gegen Plagiatsvorwürfe wehrt.

Provenzalisches Flair und ein skrupelloser Mord sind die Zutaten für Pierre Martins Urlaubslektüre „Madame le Commissaire und die tote Nonne“, die für Mai avisiert wird. Aus Kanada hingegen ist mit dem Thriller-Debüt von Nina Laurin eher Finsteres zu erwarten. „Escape - Wenn die Angst dich einholt“ verspricht für April Psycho-Spannung vom Feinsten. Nora Luttmers „Dunkelkinder“ (Mai) ist ein düsterer Großstadtthriller um „Geisterkinder“ in einem Hamburger Bunker und die vietnamesische Mafia.

Natürlich ziehen 2018 auch wieder Altbekannte ins Feld gegen ausgedachte Bosheiten, Intrigen und Verbrechen. Da wäre zunächst Donna Leons Commissario Brunetti zu nennen, der liebenswerte melancholische Polizist aus Venedig, dem in seinem 27. Fall eine „Heimliche Versuchung“ (Mai) zu schaffen macht - wie immer zu lesen bei Diogenes. Im April lädt der Verlag nun schon zum 10. Mal ins Périgord ein, wo sich Martin Walkers Chef de police, Bruno, im uralten Abendland-Morgenland-Konflikt einer aktuellen „Revanche“ ausgesetzt sieht.

Nach Italien und Frankreich setzt Diogenes nun auch auf den Norden. Die dänische Autorin Katrine Engbert hat mit „Krokodilwächter“ in ihrer Heimat einen Riesen-Hit gelandet. Noch eine Besonderheit mit kriminellem Touch und psychologischer Aufarbeitung kommt aus dem Zürcher Verlagshaus: Nicht neu, aber neu übersetzt und mit einem Nachwort von Erich Hackl bittet Ramón José Sender zu einem „Requiem für einen spanischen Landmann“ (Mai).

Ein Altmeister spielt im März bei Heyne Katz und Maus: John Grishams neuer Roman „Forderung“ handelt von drei Studenten, die sich einem Betrug ausgesetzt sehen und mit etwas fragwürdigen Methoden versuchen, ihr Leben wieder auf die Reihe zu kriegen und zugleich den Verursachern ihrer Misere eins auszuwischen. Und noch zwei erfolgreiche Meister ihres Fachs kommen beim Münchner Verlag zu Wort. Zum einen erzählt Mary Higgins Clark vom Martyrium der sogenannten Dornröschen-Killerin, und zwar im Mai unter dem Titel „Schlafe für immer“.

Im Juni kommt der neuer Thriller „Im Visier“ von Lee Child (Blanvalet) heraus. Aufs Korn genommen wird hier das französische Staatsoberhaupt beim G8-Gipfel in London. Stephen King hält das Buch für den „bislang besten Jack-Reacher-Roman“. Wer befürchtet hat, dass mit dem Tod Ruth Rendells im Jahr 2015 auch ihr Inspektor Wexford für immer aus der Krimi-Szene verschwinden würde, darf sich freuen. Im April soll er sich im hierzulande noch unveröffentlichten Roman um „Die Tote im Pfarrhaus“ kümmern. Die Britin, die wohl letzte der großen Ladies of Crime, hatte Wexford zwar in den Ruhestand versetzt, ihm das Ermitteln aber glücklicherweise nicht austreiben können.

Aus demselben Haus wird im Mai Ingar Johnsruds Roman „Der Bote“ erwartet, was Freunde von Skandinavien-Krimis glücklich machen wird. Last but not least: Im Herbst bringt der Verlag die neuesten Bücher der Französin Fred Vargas und von Charlotte Link heraus, die derzeit allerdings noch keinen endgültigen Titel haben.

Der Limes Verlag wartet ebenfalls mit einem literarischen Schmankerl auf: Für Juli hat er Alex Beers zweiten Krimi um den Ermittler August Emmerich angekündigt, der wieder ins Wien der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg führt. In „Die Rote Frau“ kommt der Polizist einem Mordkomplott auf die Spur, das in höchste Kreise führt.

HarperCollins ist mit Dean Koontz‘ Thriller „Suizid“ ins Krimi-Jahr eingestiegen: Auf der Suche nach einer Erklärung für den Selbstmord ihres Mannes entdeckt FBI-Agentin Jane Hawk einen landesweiten Anstieg unerklärlicher Suizide. „Zu nah“ heißt ein Thriller aus Irland, der von dem Hamburger Verlag für April angekündigt ist. Autorin Olivia Kiernan befasst sich mit der rätselhaften Strangulierung einer angesehenen Wissenschaftlerin. Helgoland steht wieder einmal im Mittelpunkt des neuen Kriminalromans „Sturmfeuer“. von Tim Erzberg. Für August kündigte HarperCollins schon mal einen neuen Thriller der Amerikanerin Karin Slaugther an und versprach Einzelheiten zu einem späteren Zeitpunkt.

Rowohlt hält für Mai ein Schauerstück parat, das laut Verlag eine literarische Hommage an die Klassiker der phantastischen Literatur darstellt: „Slade House“ von David Mitchell. Das jüngste Mitglied der Rowohlt-Familie, Hundert Augen, lädt im April zu einem Rendezvous mit einem Safeknacker ein. In Ryan Gattis‘ Thriller „Safe“ öffnet ein ehemaliger Gangster für die Polizei die gesicherten Schatzkammern von Banditen. Doch nicht nur zu Ermittlungszwecken.

Buchstäblich ist das geflügelte Wort „Neapel sehen und sterben“ in Maurizio de Giovannis neuem Kriminalroman „Ein zufälliger Tod“ zu nehmen, mit dem der Goldmann Verlag sein Krimi-Jahr eröffnet. Ein wenig sinnverdreht, denn statt um Verzückung geht es um Mord in der Stadt am Vesuv. Mit Ann Baianos Roman „Sizilianisches Verderben“ (Mai) bleibt der Verlag in Italien. In einem Kloster in Palermo scheinen die Nonnen von Gott verlassen zu sein, denn hier geschehen teuflische Dinge. Ebenfalls an sakraler Stelle, aber in ein völlig anderes Umfeld platziert die Britin Elizabeth Edmondson ihr Opfer. „Der Tote in der Kapelle“ erscheint im März und versprüht nostalgisches Flair im Stil von Agatha Christie.

Komisch und gruselig geht es bei Ullstein zu. Zunächst darf sich die riesige „Kluftinger“-Fan-Gemeinde im April auf den zehnten Band um den schrulligen Ermittler aus dem Allgäu freuen, der sich dieses Mal - zum Glück nur namentlich - auf dem Friedhof wiederfindet. Es wird sein persönlichster Fall. Laut Verlag läuft die beliebte Reihe des Autorenduos Michael Kobr und Volker Klüpfel auf jeden Fall weiter. Und ein lang gehütetes Geheimnis wird im Jubiläumsband gelüftet: „Kluftinger“ - so der schlichte Titel des Krimis - offenbart endlich seinen Vornamen.

Düster kommt der Thriller des Kölners Marc Raabe daher: In der Kuppel des Berliner Doms hängt die Pfarrerin, mit einem Schlüssel um den Hals, auf dem die Zahl 17 steht. Genau so heißt der Auftakt-Roman um den neuen Ermittler Tom Babylon. „Schlüssel 17“ erscheint in der zweiten Februarwoche. Am 4. März feiert der US-amerikanische Schriftsteller James Ellroy seinen 70. Geburtstag. Aus diesem Grund legt das Berliner Verlagshaus die komplette Backlist seiner erfolgreichen Kriminalromane neu auf. Den Auftakt machen im Februar „Die Rothaarige“ und die Bände des „L.A. Quartett“s, und im Herbst kommt ein nagelneuer Roman des Amerikaners heraus.