„Made in DDR“ - Bibliothek eines „Tatort“-Kommissars
Stauchitz (dpa) - Das kulturelle Gedächtnis der DDR schlummert in einem ehemaligen Kuhstall im sächsischen Stauchitz. 4000 Bananenkisten voller Bücher stapeln sich in dem kühlen Gemäuer. Auf einigen stehen Jahreszahlen, auf anderen bloß „unsortiert“.
In den sperrigen Kartons verbirgt sich ein kleiner Schatz. Der frühere „Tatort“-Kommissar Peter Sodann lagert darin eine halbe Million Bücher, die damals in der DDR erschienen sind. In dem alten Bauernhof entsteht eine Bibliothek des Ostens.
Ende April soll der Umbau abgeschlossen sein. Doch dann, sagt Sodann, gehe die Arbeit erst richtig los. „Um 500 000 Bücher auszupacken, braucht man mehrere Jahre“, meint der 74-Jährige. Ob Kinderbuch oder Zeitschrift - die Werke müssten zunächst sortiert und katalogisiert werden, bevor sie in die Regale einziehen könnten. 78 Verlage gab es vor 1989 im Osten, fast 600 000 verschiedene Titel wurden gedruckt.
Damit die Wartezeit nicht allzu lang wird, soll die DDR-Bibliothek schrittweise öffnen. Leser aus Ost und West könnten dann Bücher lesen, ausleihen und in einem Antiquariat kaufen. „Ganz sicher muss dazu ein kleines Café und ein Studierzimmer“, sagt Sodann. Später vielleicht ein Theater. „Weil es ungeheuer wichtig ist, dass die Leute sich miteinander unterhalten.“
Sodann wuchs im sächsischen Dörfchen Weinböhla auf - und mit Literatur aus Ostdeutschland. „Mein Leben ist mit Büchern verbunden“, sagt er und erzählt von „Steppke zieht in die Welt“, seinem Lieblingsbuch als Kind. Es handelt von einem Waisenkind, das aus dem Heim ausreißt.
Warum er ausgerechnet Ost-Literatur sammelt? Er will eine Antwort haben, wenn seine Enkel irgendwann fragen: „Opa, was hast du denn eigentlich gelesen?“ An den Beginn seiner ungewöhnlichen Sammelleidenschaft erinnert sich Sodann noch gut. Als 1989 stapelweise DDR-Bücher aus der Gewerkschaftsbibliothek in Halle auf die Müllkippe gebracht wurden, habe er beschlossen, die Werke aus dieser Zeit zu retten.
Seine Popularität als Schauspieler und Theatermacher habe ihm dabei geholfen. „Ich habe gesagt: "Ich sammle DDR-Bücher", und dann sind die Leute gekommen und haben sie mir gebracht.“ Von Bibliotheken oder Professoren habe er kistenweise Bücher bekommen, manchmal auch ganze Lkw-Fuhren. Nicht allen Spendern sei die Trennung leicht gefallen. Gerade ältere Menschen hingen sehr an ihren Büchern. „Da gab es richtig herzzerreißende Momente“, erzählt Sodann.
Vor dem Umzug nach Stauchitz lagerte die Sammlung in einer Turnhalle in Merseburg. Dort wurde es allerdings zu feucht für die wertvollen Stücke. Sodann startete einen Hilferuf im Internet und im Fernsehen - und bekam Unterstützung von Stauchitz' Bürgermeister Peter Geißler (parteilos). Er bot Sodann 900 Quadratmeter auf dem alten Heuboden des umgebauten Kuhstalls.
„Ich habe 40 Jahre in der DDR gelebt“, sagt Geißler. Deswegen sei es ihm wichtig, auch die Literatur dieser Zeit zu bewahren. „Das ist meine Geschichte, das ist mein Leben.“ Etwas scheint er sich aber auch von der Popularität des Büchersammlers zu versprechen. „So bekannt, wie wir jetzt sind, war unsere Gemeinde noch nie.“