Maja Haderlap gewinnt Bachmann-Preis
Wien/Klagenfurt (dpa) - Jahr für Jahr sitzt Maja Haderlap im Publikum des Bachmann-Preises in ihrer Heimat Klagenfurt und beobachtet die wohl intellektuellste Casting-Show im deutschsprachigen Raum.
„Da würde ich nie mitmachen“, denkt sich die Kärntner Slowenin angesichts ihrer vorlesenden Autoren-Kollegen, deren Texte im Anschluss von der Jury teils vernichtend zerrissen werden. Im Alter von 50 Jahren lässt sich die zurückhaltende Frau mit dunklen Locken doch überreden - und gewinnt prompt eine der wichtigsten Auszeichnungen der Literaturszene.
Kaum ein Kritikpunkt fällt der sonst so strengen Jury zum Auszug aus ihrem Romandebüt „Engel des Vergessens“ ein, der über eine Südkärntner Dorf- und Familiengeschichte zum Widerstand der Slowenen gegen die deutsche Wehrmacht führt. Als makellos, präzise gearbeitet, poetisch und tiefgründig wird ihr Text charakterisiert.
„Im Moment fühle ich mich wie über den Wolken schwebend, es ist alles unwirklich“, sagt Haderlap in einer ersten Reaktion auf den Sieg beim Literaturmarathon am Sonntag. Er bedeute für sie „etwas sehr Großes“.
Als Teil der seit Jahrhunderten dort lebenden slowenischsprachigen Minderheit in Kärnten wird Haderlap 1961 in Bad Eisenkappel geboren. Ihre Familie spricht Slowenisch, erst in der Schule lernt das Mädchen richtig Deutsch. Konflikte um die Rechte und die Akzeptanz der von den Nazis verfolgten Volksgruppe konzentrieren sich in Österreich seit Jahrzehnten unter anderem im Streit um zweisprachige Ortstafeln, den erst in der vergangenen Woche das Parlament endgültig beendete.
Haderlap beginnt bereits als Kind zu schreiben, bewegt sich mühelos in ihrer zweisprachigen Welt. Sie studiert Theaterwissenschaften und Deutsche Philologie an der Universität Wien, arbeitet als Dramaturgie- und Produktionsassistentin in Triest und Ljubljana. Immer wieder übernimmt sie Lehraufträge an der Universität Klagenfurt, ist bis 2007 dort am Stadttheater Chefdramaturgin.
Literarisch wendet sie sich zunächst der Lyrik zu, dichtet auf Slowenisch und später auch auf Deutsch. Haderlap arbeitet auch an Übersetzungen vom Slowenischen ins Deutsche, gibt Anfang der 1990er in Kärnten eine slowenischsprachige Literaturzeitschrift heraus. Die Prosa entdeckt sie erst spät: Die Geschichten in ihrem Romandebüt hätten sie ihr Leben lang begleitet und sehr beschäftigt, der Text sei in ihr gereift, erzählt die Autorin. „Man braucht auch emotionale Kraft, um ihn zu schreiben, deswegen hat es auch ein bisschen gedauert.“ Diesmal habe sie Deutsch als Sprache gewählt, weil es ihr geholfen habe, Distanz zum Thema zu halten.
„Ihr Debütroman ist ein Stück österreichische Geschichte und ein Stück Geschichte Europas des 20. Jahrhunderts, die weit in unsere Gegenwart reicht“, lobt Österreichs Kulturministerin Claudia Schmied die Gewinnerin am Sonntag. Die talentierte zweisprachige Kärntner Lyrikerin habe nun zu erzählen begonnen: „Ein Glücksfall für die zeitgenössische Literatur!“