Chinesischer Autor Liao nach Deutschland geflohen

Berlin/Peking (dpa) - Der chinesische Schriftsteller Liao Yiwu hat sich nach Deutschland abgesetzt. Seine Flucht folgte auf massiven Druck chinesischer Behörden, ein neues Buch über seine vierjährige Haft nach der Niederschlagung der Demokratiebewegung 1989 nicht im Ausland zu veröffentlichen.

„Ich suche die Freiheit, schreiben und veröffentlichen zu können“, sagte Liao Yiwu am Freitag in Berlin im Telefoninterview mit der Nachrichtenagentur dpa. Um ausreisen zu dürfen, habe er sich nur zum Schein auf das Publikationsverbot eingelassen. „Jetzt ist alles in Ordnung, jetzt bin ich in Berlin.“

Sein Buch „Für ein Lied und hundert Lieder. Ein Zeugenbericht aus chinesischen Gefängnissen“ soll am 21. Juli im S. Fischer-Verlag erscheinen. Es schildert seine Erlebnisse im Gefängnis. Mehr als zehn Jahre hat Liao Yiwu daran gearbeitet. Zweimal wurde das Manuskript beschlagnahmt, so dass er es ein drittes Mal schreiben musste. Der Autor (Jahrgang 1958) rechnet vorerst nicht damit, nach China zurückkehren zu können. „Erst nach einer Weile, wenn sich die Situation geändert hat“, sagte Liao Yiwu. „Ich denke, dass ich sicher lange Zeit im Ausland bleiben werde, aber ich will zurückgehen.“

Der Schriftsteller ist in Deutschland für sein Buch „Fräulein Hallo und der Bauernkaiser - Chinas Gesellschaft von unten“ bekannt. Immer wieder war ihm die Ausreise aus China verwehrt worden. Auf Druck der deutschen Bundesregierung durfte Liao Yiwu im Herbst dann erstmals ausreisen. Nach seiner Rückkehr warnten ihn die Behörden aber vor der Veröffentlichung seines Gefängnisberichtes im Ausland.

Als sich dann noch die politische Lage nach Aufrufen zu Jasmin-Protesten nach arabischem Vorbild weiter verschlechterte und Bürgerrechtsanwälte, Dissidenten und der berühmte Künstler Ai Weiwei in Haft oder Hausarrest verschwanden, entschied sich Liao Yiwu zur Flucht. „Für jeden Intellektuellen ist es ein Alptraum.“

Liao Yiwu täuschte die Behörden. Er versprach, sein Buch nicht im Ausland zu veröffentlichen, um im Gegenzug eine Reiseerlaubnis zu bekommen. „Ja, so war es. Ich wollte die Situation entspannen.“ Er will sich nicht als Exilanten beschreiben, glaubt aber, damit auch kein Problem zu haben. „Ich bin nur ein Autor. Ich bin ein Handwerker der menschlichen Erinnerung“, sagte Liao Yiwu. „Ich suche die Freiheit, schreiben und veröffentlichen zu können.“ Über seine Ausreise hatten zuerst „Spiegel Online“ und das US-Magazin „New Yorker“ (in seinem Blog) berichtet.

Nach der Veröffentlichung des Buches in Deutschland will er in den USA sein Buch „God is Red“ herausbringen. Auch sein Gefängnisbuch wird ins Englische übersetzt. In Taiwan soll die chinesische Version im August erscheinen. Im nächsten Jahr wird Liao Yiwu ein einjähriges Stipendium des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) annehmen und wieder in Berlin sein. Der Autor äußerte die vage Hoffnung, dass sich die Lage in China nach dem Ende 2012 geplanten Generationswechsel vielleicht verbessern könnte. „Ich hoffe, dass sich etwas verändert und ich problemlos nach China zurückkehren kann.“