Norman Mailer: „Der große Alte“ der US-Literatur ist gestorben
Der amerikanische Bestsellerautor Norman Mailer ist tot. Der zweifache Pulitzer-Preisträger starb am Samstag in New York mit 84 Jahren an akutem Nierenversagen. Das gab seine Familie mit „großer Trauer“ bekannt.
New York (dpa). Norman Mailer war einer der innovativsten und vielseitigsten Autoren Amerikas. Mit seinen provokanten Romanen, Essays und journalistischen Arbeiten sorgte er immer wieder für Aufsehen und Widerspruch.
Schriftsteller und Kritiker würdigten am Wochenende seinen Einfluss auf die Nachkriegsliteratur. Der deutsche Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki sagte der Deutschen Presse-Agentur dpa in Frankfurt, Mailer sei ein „bedeutender Autor“, allerdings „kein großer Schriftsteller“ gewesen. Der amerikanische Autor Tom Wolfe meinte: „Er war eine gewaltige Energiequelle für die gesamte literarische Welt, er war ein Motor, ein Generator.“ US-Autorin Joan Didion nannte Mailer „eine große amerikanische Stimme“. Sein langjähriger Verlag Random House dankte ihm für seine Professionalität und Leidenschaft, seinen „Witz und seine Wärme“. Die Zeitung „USA Today“ zitierte den französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy mit den Worten: „Ein Gigant der amerikanischen Literatur ist gegangen.“
Die „New York Times“ hatte Mailer zu seinem 80. Geburtstag den „großen Alten der amerikanischen Literatur“ genannt. Mit zahlreichen privaten Skandalen galt der erbitterte Gegner von US-Präsident George W. Bush aber auch als „enfant terrible“ der Schriftstellerzunft.
Der schon lange gebrechliche Mailer war Mitte Oktober wegen akuter Atemprobleme in New York an der Lunge operiert worden und hatte sich den Angaben zufolge zunächst gut erholt. Am frühen Samstagmorgen starb er im Mount Sinai Krankenhaus in Manhattan. US-Medienberichten zufolge war die Familie am Vorabend noch bei ihm, einer seiner Söhne war am Krankenbett, als Mailer starb.
Noch im Sommer hatte der Schriftsteller bei einer Podiumsdiskussion in New York den deutschen Literaturnobelpreisträger Günter Grass leidenschaftlich gegen Kritik an dessen kurzzeitiger Zugehörigkeit zur Waffen-SS verteidigt. Er könne sich vorstellen, dass er in einer vergleichbaren Situation ebenfalls zu dieser umstrittenen Einheit gegangen wäre, sagte er damals.
Der 1923 als Sohn jüdischer Einwanderer im Ostküstenstaat New Jersey geborene Mailer war schon mit seinem Erstlingsroman „Die Nackten und die Toten“ (1948) weltberühmt geworden. Das Buch, in dem er seine Kriegserfahrungen verarbeitet, wurde in fast alle Sprachen übersetzt und war einer der größten internationalen Bestseller der Nachkriegszeit.
In den 1960er und 1970er Jahren setzte Mailer mit einer neuen Form des Journalismus Maßstäbe. Die Verknüpfung aktueller Ereignisse mit autobiografischem Material und politischen Kommentaren in der Reportage „Heere aus der Nacht“ brachte ihm 1969 den ersten Pulitzer- Preis. Den zweiten erhielt er 1980 für seinen Bericht „Gnadenlos - Das Lied vom Henker“ über den Doppelmörder Garry Gilmore. Bis zuletzt wurde er immer wieder als möglicher Kandidat für den Literaturnobelpreis gehandelt.
Kaum ein anderer US-Autor hat ein so breites und vielseitiges Werk vorgelegt wie Mailer. Seine Themen waren Krieg und Frieden, Gott und Teufel, Sex und Gewalt - und immer wieder die kritische Auseinandersetzung mit dem „Amerikanischen Traum“ und seiner oft mangelhaften Umsetzung in der Praxis. Zu seinen bekanntesten Werken gehören „Der Albtraum“ (1964), „Frühe Nächte“ (1983) und „Gespenster. Die geheimen Mächte“ (1992). Für Aufsehen sorgte seine Jesus- Biografie, in der er das Leben des Gottessohnes in Ich-Form erzählt. In Deutschland erschien zuletzt der Roman „Das Schloss im Wald“ (2007) - ein Versuch, die Wurzeln des Bösen in der Natur von Adolf Hitler zu ergründen.
Immer wieder sorgte der polemische Rebell auch politisch für Furore. 1967 wurde er für seine Teilnahme an einer Demonstration gegen den Vietnamkrieg verhaftet. Er legte sich lautstark mit der Frauenbewegung an, und kämpfte bis zuletzt entschieden gegen Präsident Bush und den Irak-Krieg.
Mailer war sechs Mal verheiratet und hatte neun Kinder. Seine zweite Frau verletzte er im Jahr 1960 schwer betrunken mit einem Messer. Nur weil sie bei der Polizei nicht gegen ihn aussagen wollte, kam er mit einer Bewährungsstrafe davon. Über sein Lebenskonzept war er sich immer sicher: „Ich wusste, dass es eine Sache gibt, die ich wirklich will - und das war zu schreiben.“
Der Termin für eine Trauerfeier in kleinstem Kreis soll der Familie zufolge in der kommenden Woche bekanntgegeben werden. In New York ist für die nächsten Monate eine Gedenkfeier geplant.