„Nur einen wänzigen Schlock!“

Der Originaltext der „Feuerzangenbowle“ liegt erstmals vor.

Düsseldorf. "Da steht nun Hans Pfeiffer auf dem weiten Schulhof und hört zum ersten Mal den blechernen Ton des Armsünderglöckchens, das bis auf weiteres den Rhythmus seines Lebens bestimmen wird..."

Es ist ein Abenteuer, das 75 Jahre nach seinem Erscheinen immer noch fast jeder Deutsche kennt: Die Geschichte des Jungschriftstellers Dr. Johannes Pfeiffer, der sich nach einem alkoholschwangeren Herrenabend noch einmal an eine Kleinstadtschule begibt, um die in der einsamen Privatunterrichts-Jugend nie genossenen Pennäler-Späße nachzuholen.

"Die Feuerzangenbowle", Heinrich Spoerls vor allem durch die spätere Rühmann-Verfilmung zum Welterfolg gewordene Roman hat der Düsseldorfer Droste-Verlag zum 75-jährigen Doppeljubiläum von Buch und Verlagshaus neu herausgebracht - erstmals wieder im Originaltext von 1933.

Diese Wiederauflage ist in mehrfacher Hinsicht gelungen: Nicht nur, dass Spoerls Werk hier mit einer bibliophilen Ausgabe gewürdigt wurde, deren historisierende Gestaltung schon beim Blättern den nüchtern-ehrwürdigen Geist gründerzeitlicher Gymnasial-Tempel verströmt.

Auch können die hundert Skurrilitäten zwischen den Buchdeckeln trotz ihrer sattsamen Bekanntheit immer noch den Leser zum Lachen reizen - der "wänzige Schlock", mit dem Pfeiffers Prima-Klasse in der Chemiestunde zur alkoholischen Gärung einen Vollrausch simuliert, sei als eines von vielen Beispielen angeführt. "Die Feuerzangenbowle" ist keine Weltliteratur, aber Spoerls liebevolle Erzählweise und das Kuriositätenkabinett, das er aufmarschieren lässt, machen einfach Spaß

Der größte Glücksfall ist jedoch der Rückgriff auf den Originaltext, den der braune Zeitgeist vielfach verändert hatte. Die ursprünglich genannten Albert Einstein oder Marlene Dietrich etwa fielen der Zensur zum Opfer, weil sie jüdisch (Einstein) oder nicht regimekonform (Dietrich) waren - und bereiteten so dem 1944er Rühmann-Film den Boden, der nur noch flacher Durchhalte-Schwank für eine kriegsdeprimierte Bevölkerung sein sollte.

Wie weit die Film-Verbrämung sich vom Geist der Vorlage entfernt hat, wird nirgends klarer als in den Sätzen: "Immer da, wo sich Massen bilden, wo der Mensch zum Publikum wird, regen sich tiefe Instinkte. Denk an Volksversammlungen, an Revolutionen, an Lynchjustiz." Welche Worte 1933, dem Jahr der Machtergreifung, Reichsparteitage, der ersten Vernichtungslager! Spoerl, der subversiv-liberale Spaßmacher - diese Facette hat die Nachwelt bislang vergessen!

Heinrich Spoerl: Die Feuerzangenbowle. Eine Lausbüberei in der Kleinstadt. Mit einem Nachwort von Joseph A. Kruse. Halbleinen, 244 S., 12,95 Euro