Paulo Coelho: Warme Häppchen für die Seele
Paulo Coelho reist in seinem neuen Roman „Aleph“ durch Sibirien und durch die Jahrhunderte.
Düsseldorf. „Mit ,Aleph’ beginnt ein neues Kapitel in Ihrem Leben!“, lockt der Diogenes-Verlag auf dem Umschlag des neuen Romans von Paulo Coelho. Der brasilianische Autor schreibt damit ein weiteres Kapitel seiner Erfolgsgeschichte, begibt er sich darin doch einmal mehr auf die Suche nach dem Sinn des Lebens, dem wahren Selbst und dem Königsweg aus der großen Krise.
Der wird in diesen Tagen gerade besonders händeringend gesucht, weshalb der Roman auch in Schloss Bellevue und beim FDP-Treffen in Stuttgart gern zur Hand genommen werden dürfte.
Aber was heißt hier Roman? Paulo Coelho (64) gibt an, dieses Buch sei „zu hundert Prozent autobiografisch“, er beschreibe darin „eine Reise zu mir selbst“. So erfährt man, dass ein überaus erfolgreicher brasilianischer Schriftsteller in T-Shirts schläft und auf Reisen Heiligenbilder neben seinen Laptop stellt, mit 59 Jahren aber in eine Schreib- und Sinnkrise stolpert: „Ich bin mit mir nicht im Reinen.“
Als hilfreiche Stütze erweist sich da eine 500 Jahre alte Eiche m Garten, wegweisend wird der Rat seines bereits aus früheren Romanen bekannten Mentors J.: „Du lebst schon lange nicht mehr im Hier und Jetzt. Es ist Zeit, aufzubrechen und wieder in die Gegenwart zurückzukommen.“
Der Autor begibt sich auf Lese- und Luxuspilger-Reise: 9288 Kilometer mit der Transsibirischen Eisenbahn müssen es sein. In seinen Begleittross drängelt sich noch die 21-jährige türkische Geigerin Hilal, die beiden sind sich schnell innig verbunden. Kein Wunder, schließlich lieben sie sich seit 500 Jahren.
Coelho gehört nicht erst in diesem Buch zu den Verfechtern der Wiedergeburt. Sein „Aleph“ ist nicht nur der erste Buchstabe des hebräischen Alphabets, sondern steht auch für ein zeitlich verdichtetes Paralleluniversum, dessen Eingang bizarrerweise zwischen zwei Waggons der Transsib liegt. Der Erzähler stürzt ins Córdoba des Jahres 1492, wo er Hilal als eine der acht Frauen erkennt, die er als Inquisitions-Pater auf den Scheiterhaufen brachte.
Hier wird die Geschichte lebhafter, doch die Frequenz der hingeraunten Kalendersprüche bleibt gleich: Jaja, „die Liebe ist stärker als der Tod“; jaja, „verbrauche deine Energien, und du wirst jung bleiben“. Der Ausflug in die Vergangenheit ist im Übrigen limitiert, zur Fußball-WM 2006 in Deutschland ist der Erzähler rechtzeitig zurück.
Coelho zerreibt Schamanenbeschwörungen und Hexensprüche, asiatische Mystik und gewöhnliche Esoterik zu einer glatten Psycho-Paste. Die Häppchen daraus rutschen wie von selbst und hinterlassen einen diffusen warmen Optimismus. Aber das ist ja auch schon was, besonders für die Leser in Bellevue und Stuttgart.