Peter Sodann eröffnet „DDR-Bibliothek“ in Staucha

Staucha (dpa) - „Wirkliches Nachdenken ist zur Rarität geworden“, zitiert sich Peter Sodann selbst. Der Satz stammt aus einer Rede, die der Schauspieler („Tatort“) vor 20 Jahren als Theaterintendant in Halle gehalten hatte.

Tatort ist diesmal ein altes Rittergut im sächsischen Staucha, wo Sodann am Wochenende die Eröffnung seiner Bibliothek feierte. Damit endete eine Odyssee. Der 75-jährige Sachse hat seit dem Mauerfall tausende Bücher gesammelt, die als „DDR-Bücher“ ansonsten auf dem Müll gelandet oder in Kellern verstaubt wären. Staucha war bereit, ihn und seine Bücher aufzunehmen.

Der Name Bibliothek ist irreführend, auch das Wort von DDR-Büchern ist nicht korrekt. Sodann sammelt alles, was zwischen 1945 und 1989 im Osten erschien. Marx und May, Tolstoi und Brecht, Seghers und Grass. „Wir bewahren es für unsere Nachkommen auf. Überall steckt Wahrheit in den Büchern, sie sind doch ein Stück Gedächtnis.“ Er habe es nicht ausgehalten, dass Bücher vernichtet werden sollten, nur weil sie im Osten verlegt wurden. Die Zahl der Bücher in Staucha kann nur geschätzt werden: Eine Viertelmillion ist immerhin katalogisiert. Mehr als 500 000 sollen es insgesamt schon sein.

Noch ist vieles in Staucha improvisiert - so wie das kleine Theater- und Leseprogramm zur Eröffnung der Sammlung in der Scheune voller Bananenkisten mit Literatur. „Ich hab gar keine Zeit gehabt, mich richtig darum zu kümmern“, sagt Sodann. Er kommt schließlich nicht einmal dazu, seine vorbereitete Rede zu halten. Denn seine Gäste haben sich verplaudert, als sie über Lieblingsbücher sprechen und die politische Weltlage reflektieren.

Linken-Ikone Gregor Gysi zitiert Dostojewski und die Bergpredigt, wünscht sich, dass sich die Menschen wieder mehr gegenseitig zuhören. Diether Dehm, gleichfalls von den Linken, singt Brechts „Lob des Lernens“. Die gut 200, überwiegend älteren Zuhörer singen mit, ob beim „Lob“ oder beim „Kleinen Trompeter“. Die meisten fühlen sich wohl, nicken wissend. „Ist ein bisschen wie früher“, meint ein Mann aus dem nahen Riesa. Andere verlassen da kopfschüttelnd den Raum, schauen sich lieber die schon in Regale sortierten Bücher an.

„Die sind wirklich ein Schatz“, sagt Verleger und Publizist Christoph Links, der nach der Wende unter anderem mit Büchern über den Untergang der DDR von sich reden gemacht hat. Er hält die Sodannsche Sammlung unter wissenschaftlichen Aspekten für wichtig. Denn die Bücher in Staucha sind nach Verlagen sortiert. „Das ist in dieser Form einmalig. Eine umfassende Geschichte der DDR-Verlage muss erst noch geschrieben werden.“

Links ruft schließlich ins Gedächtnis, dass es in der sowjetisch besetzten Zone einst mehr als 200 Verlage gab, zum Ende der DDR dann nur noch 78. „Da ist auch unter politischen Gesichtspunkten viel passiert.“ In Staucha könne auch jeder selbst erforschen: „Was ist Schrott, was überlebt.“ Sodann sieht es ähnlich. Und warum sammelt er ausgerechnet Ost-Literatur? Er wolle eine Antwort haben, wenn seine Enkel irgendwann fragen: „Opa, was hast du denn eigentlich gelesen?“