Peter Sodanns Bibliothek - „Wissen des Ostens“ in Kisten
Staucha (dpa) - „In den Bananenkisten des Westens schlummert das Wissen des Ostens.“ Der Spruch stammt von Peter Sodann und der muss es wissen. Schließlich hat der ehemalige „Tatort“-Kommissar selbst Hunderte solcher Kisten ausgepackt, gefüllt mit Büchern aus DDR-Zeiten.
Jetzt stehen die Werke in seiner Bibliothek im sächsischen Staucha. Hier sammelt er alles, was zwischen 1945 und 1989 in der DDR in den Buchhandel kam. Der Slogan prangt auch in dem neu eingerichteten Theater - dazu passend die Kulisse aus gestapelten Bananenkisten, die bis unters Dach der alten Scheune reichen.
Alle Kisten haben Sodann und seine Helfer seit der Eröffnung im Mai 2012 ausgeräumt. Auf rund 300 000 Bücher schätzt Sodann die Zahl der Werke, die mittlerweile geordnet und katalogisiert in den Regalen stehen, auf dem Heuboden eines umgebauten Kuhstalls. Im Lager warten noch rund 3,5 Millionen Bücher darauf, ausgepackt zu werden - und jeden Tag gehen neue Bücherspenden ein. Sodann ärgert sich, wenn Autos auf den Hof rollen, Bücher ausgeladen werden - und die Besitzer dann nach einem kleinen Geldbetrag fragen. „Niemand denkt daran, was es für ein Geld kostet, die Bücher zu archivieren.“
Der Sachse hat für den Traum von einer eigenen Bibliothek sein Elternhaus in Weinböhla verkauft. „Mein ganzes Geld steckt hier drin“, sagt Sodann und zeigt auf die ausgebaute Scheune und das kleine Wohnhaus. Bis nächstes Jahr hat er den sanierten Kuhstall des ehemaligen Rittergutes von der Gemeinde mietfrei gepachtet. Schon seit vielen Jahren sammelt Sodann Bücher aus DDR-Zeiten. „Die sind nach der Wende tonnenweise auf Mülldeponien entsorgt worden. Eine Vernichtung von Kulturschätzen“, schimpft der Bücherfreund.
Auch die heutige Generation soll eine Vorstellung davon bekommen, was zu DDR-Zeiten alles geschrieben und veröffentlicht wurde. „Es kommen Studenten und Doktoranden, forschen hier vor Ort“, erzählt Sodann, der auch den Kontakt zu Universitäten und Bibliotheken ausbauen will. Über das Antiquariat gibt es rund 35 000 Bücher zu kaufen, viele davon werden ins Ausland verschickt - etwa nach Japan oder Kanada. Die Einnahmen aus dem Verkauf fließen in den Ausbau der Bibliothek.
Auch Rico Gebhardt, Landesvorsitzender der Linken, unterstützt das Projekt: Das eigene kulturelle Erbe dürfe nicht auf dem Müllhaufen der Geschichte landen, so der Politiker. Man müsse nicht alle Bücher der DDR mögen - aber sie sollten als schriftliche Zeitzeugen zugänglich bleiben.
Peter Sodann ist auf Spenden angewiesen, er wirbt im Internet für seine Bibliothek, rührt bei Veranstaltungen die Werbetrommel. Große Summen fließen selten. „Es sind eher die kleinen Leute, die spenden“, erzählt der 77-Jährige, der in Staucha von früh bis spät Reisegruppen durch die Bibliothek führt, katalogisiert und nach Sponsoren sucht.
Gut ein Jahr nach der Eröffnung ist er mit seiner Peter-Sodann-Bibliothek zufrieden: Die Regalreihen füllen sich, seit diesem Jahr wird in der Scheune endlich Theater gespielt. Sodann, ehemaliger Schauspieler und Theater-Intendant, steht oft selbst auf der Bühne oder holt sich prominente Unterstützung: Als nächstes kommt am 4. September der Kabarettist Dieter Hildebrandt nach Staucha.