Scheiternde Hinterhofnächte bei Multikultis

Neuerscheinung: Martin Mosebach, designierter Büchner-Preisträger, legt einen neuen Roman vor. Er soll natürlich wieder ein Klassiker sein.

<strong>Düsseldorf. "Denn wir bewegen uns auf dünnem Eis", heißt es beiläufig im achten Kapitel. Doch auf diesem metaphorisch dünnen Eis seines Lebens hat der junge Bankangestellte Hans nicht nur einen Fahrradunfall in der Frankfurter Innenstadt, sondern es führt dann auch zu seinem finalen Fall. Das klingt nach Tragödie, doch Mosebach schwängert seine Geschichte dergestalt mit Ironie und Sarkasmus, dass man mitunter rätselt, ob man mehr über den Autor oder seine Gestalten lachen soll. Da ist Ina, Tochter der Frau von Klein, die nach der Hochzeit mit ihrer Mutter zu einer Italienreise aufbricht, damit Hans eine Wohnung suche. Frau von Klein ist mit ihrem Namen trefflich bezeichnet: Von irgendeinem Adel, sind Charakter, Wesen und Bildung das Gegenteil von edel, eben halt klein. Für Ina indes, "aufgewachsen und behütet in einem Reservat abschirmender Bürgerlichkeit wie ein exquisites Frühgemüse", ist sie maßstäblich, und darin liegt der unheilvolle Ausgang begründet. Denn Hans mit seiner harmlos-treuherzigen Nettigkeit - Frau von Klein nennt ihn verächtlich "plain", und Mosebach attestiert ihm "reine Oberfläche - vermag sich der Anziehungskraft, die ein Gründerzeithaus auf ihn ausübt, und in dessen Innenhof eine riesige Kastanie steht, nicht zu entziehen. Zwar ist das Haus nahe beim Hurenviertel am Frankfurter Hauptbahnhof gelegen und damit absolut indiskutabel - eigentlich. Aber der marokkanische Hausmeister Abdallah Souad, der Äthiopier mit Schnellimbiss, der pakistanische Gemüsehändler, Philippiner, Bengalesen, Libanesen - sie alle reizen Hansens Fantasie offenbar mehr als die Frage, was seiner Frau, mehr noch: seiner Schwiegermutter zuträglich sein könnte.

Böses Omen: Eine tote Taube im frischen Schlafzimmer

Zur Ausstattung gehören wesentlich noch Elmar Wittekind und die Schauspielerin Britta Lilien, die unter ihnen wohnen, sowie die "levantinische Matrone", eher eine damaszener Dame namens Despina Mahmouni, die letztlich die entscheidenden Immobiliengeschäfte regelt. Geht es aber für Hans und Ina zunächst nur um ihr junges Eheglück und die Neuausstattung einer reichlich heruntergekommenen, feuchten Wohnung, in der der Mond nächtens auf Inas Körper spielt, und deren verschlissene und befleckte Möbel sie teilweise übernehmen müssen, beginnen sich die Dinge unheimlich zu verselbständigen - wie überhaupt diesen Räumen ein böses Geheimnis innewohnt.

Eine tote Taube und deren Todeskampfschmutz im frisch geweißten Schlafzimmer ist das erste Omen. Unmerklich beginnt in Hans und Ina ein Prozess der Auflösung, des Auseinanderstrebens. Stand eingangs am Himmel nahezu ein prächtiger Vollmond, ist das Ende mit der Schwärze einer Neumond-Nacht besiegelt.

Es ist kein Geheimnis, dass Martin Mosebach, gekürt für den bedeutendsten deutschen Literaturpreis, den Büchner-Preis 2007, ein Verteidiger gutdeutscher Bürgerlichkeit ist. Und so ist er bei Eichendorff, Goethe, Fontane und vor allem bei Thomas Mann auch in die Schule gutdeutscher Erzählkunst gegangen, hat sie sich stilistisch und sprachlich in einem Maße angeeignet, das zwar hochvirtuos, doch gespreizt und gestelzt daher kommt.