Schriftsteller und Politiker Jiri Grusa ist tot
Prag (dpa) - Der Schriftsteller und frühere PEN-Club-Vorsitzende Jiri Grusa ist im Freitag im Alter von 72 Jahren gestorben. Das bestätigte das tschechische PEN-Zentrum in Prag der Nachrichtenagentur dpa.
Der ehemalige Dissident und enge Vertraute von Ex-Präsident Vaclav Havel lebte zuletzt in der Nähe von Bonn. „Ich bin wie viele seiner Freunde schockiert über den unerwarteten Tod meines langjährigen Freundes und Kollegen Jiri Grusa“, sagte Havel am Freitag nach Angaben seines Prager Büros.
Sein Verhandlungsgeschick und sein unerschöpflicher Humor kamen Grusa als Präsident des internationalen Schriftstellerverbandes PEN von 2004 bis 2009, aber auch als Botschafter der Tschechoslowakei und dann Tschechiens in Deutschland von 1990 bis 1997 zugute. Er bereitete den Weg für das Nachbarschaftsabkommen von 1992, das neuen Elan in die bilateralen Beziehungen brachte.
„In einer Zeit, in der Deutschen und Tschechen mitunter das Sprechen schwerfiel, hat er oft die richtigen Worte gefunden“, sagte ein ranghoher deutscher Diplomat am Freitag und würdigte damit Grusas Engagement für die Beziehungen der beiden Länder. Nach einem kurzen Zwischenspiel als Schulminister im Jahr 1998 vertrat Grusa sein Land anschließend sechs Jahre lang in Österreich.
Bekannt wurde Grusa in den 1960er und 70er-Jahren mit erotischen Gedichtsammlungen wie „Anbetung der Janinka“. Er gehörte zu den Unterzeichnern der Charta 77, die mehr Bürgerrechte in der kommunistischen Tschechoslowakei einforderte. Nach Erscheinen seines regimekritischen Romans „Fragebogen“ wurde Grusa 1978 zwei Monate inhaftiert.
Mit dem tschechischen Ex-Präsidenten Vaclav Havel entwickelte sich in dieser Zeit eine enge Freundschaft. „Was hatten wir in dieser unfreien Welt für Möglichkeiten?“, sagte Grusa im September in Prag der Deutschen Presse-Agentur. Abends habe man sich mit Freunden in einer guten Kneipe getroffen. „Da konnten wir bei unseren Diskussionen natürlich die Welt verändern - und dann haben wir es auch getan“, erinnerte sich der Dichter.
Während einer Auslandsreise in die USA wurde Grusa 1981 ausgebürgert und fand in der Bundesrepublik eine neue Heimat. Zunächst habe er den Verlust der Muttersprache im täglichen Umfeld als eine „kleine Hinrichtung“ empfunden, erinnerte sich Grusa. „Nachdem ich das überlebt hatte, wurde Deutsch die Sprache meiner Freiheit“, sagte der Dichter.
Auf Deutsch erschien 1999 im Piper-Verlag Grusas „Gebrauchsanweisung für Tschechien“. Mit „Benes als Österreicher“ legte er in diesem Jahr zunächst auf Tschechisch ein kritisches Porträt des tschechoslowakischen Präsidenten Edvard Benes vor, der die Dekrete für die Enteignung und Vertreibung der deutschen Minderheit unterzeichnet hatte.