Spanischer Autor Jorge Semprún gestorben

Madrid/Paris (dpa) - Spanien trauert um den Schriftsteller Jorge Semprún. Der Autor und Politiker, der das KZ Buchenwald überlebt hatte, war am Dienstag mit 87 Jahren in seiner Wohnung in Paris gestorben.

Er galt als einer der bedeutendsten zeitgenössischen Literaten und Intellektuellen Spaniens. Von 1988 bis 1991 war der ehemalige Kommunist spanischer Kulturminister. 1994 erhielt er den Friedenspreis des deutschen Buchhandels. Die Akademie der Künste in Berlin, deren Mitglied Semprún seit 1992 war, würdigte ihn als Sprachartisten und streitbaren Intellektuellen.

Spaniens Ministerpräsident José Luis Rodríguez Zapatero erklärte: „Semprún wird als einer der besten Demokraten in Spanien und Europa für immer ein Teil der Geschichte sein.“ Der Literaturnobelpreisträger Mario Vargas Llosa sagte: „Semprún erlebte die großen historischen Wirren des 20. Jahrhunderts nicht nur als Zeitzeuge mit, sondern er nahm auch aktiv daran teil.“

Semprún gehörte in den 50er Jahren der Führung der Kommunistischen Partei (PCE) an, wurde aber 1964 als Abweichler ausgeschlossen. Er stammte aus einer angesehenen Madrider Familie. Sein Großvater war spanischer Ministerpräsident, ein Onkel Innenminister. Einen großen Teil seines Lebens verbrachte Semprún im Exil. Während des spanischen Bürgerkriegs lebte er in Den Haag, 1939 zog er nach Paris. Dort schloss er sich der Résistance gegen die Nazis an. 1943 wurde er von der Gestapo verhaftet und ins KZ Buchenwald verschleppt.

Die Deportation in einem Viehwaggon und die Gefangenschaft arbeitete er in den Romanen „Die große Reise“ (1963) und „Was für ein schöner Sonntag“ (1980) literarisch auf. „Ich bin weder Schriftsteller noch Politiker. Ich bin nur ein Überlebender von Buchenwald“, sagte Semprún einmal.

Die KZ-Gedenkstätte Buchenwald würdigte den Autor als „hoch geschätzten Freund“. Leiter Volkhard Knigge sagte: „Ein ganz, ganz wichtiger Freund und reger Intellektueller ist nicht mehr. Das macht sehr traurig.“ Semprún sei einer der ersten gewesen, der sich „intellektuell und menschlich“ hinter die Neukonzeption der Gedenkstätte nach der Wende gestellt habe, die auch die Geschichte des sowjetischen Speziallagers auf dem KZ-Gelände einschloss.

Semprún habe bereits damals gefordert, dass die grausamen menschlichen Extremerfahrungen des 20. Jahrhunderts historisch genau aufgearbeitet werden müssten und nicht mit einfachen ideologischen Formeln glattgebügelt werden dürften. Die thüringische Landtagspräsidentin Birgit Diezel (CDU) sagte, Semprún habe die Erinnerungskultur im Land entscheidend mitgeprägt.

Einem breiteren Publikum wurde Semprún als Filmautor bekannt. Er schrieb die Drehbücher für Streifen wie „Z“ von Constantin Costa-Gavras oder „Der Krieg ist aus“ von Alain Resnais. Seine Bücher schrieb er überwiegend auf Französisch, weil er während der Franco-Diktatur (1939-1975) seine Werke nicht in Spanien veröffentlichen durfte. Als Kommunist und wichtige Figur des Widerstands wurde er vom Regime verfolgt. Seinen ersten Roman auf Spanisch verfasste er mit fast 80 Jahren. Das Werk trägt den Titel „20 Jahre und ein Tag“ und handelt von seiner Zeit im Untergrund.

SPD-Bundestagsfraktionschef Frank-Walter Steinmeier nannte Semprún einen leidenschaftlichen Humanisten und Querdenker. „Sein Leben steht wie kaum ein anderes für die Geschichte des 20. Jahrhunderts“, so Steinmeier.

Auch der Suhrkamp Verlag reagierte mit Trauer. „Semprún hat Politik und Literatur wie kaum ein anderer gelebt und beschrieben. Eben diese Verschränkung ist es, die ihn und sein Werk auszeichnet“, sagte Verlagssprecherin Tanja Postpischil der Nachrichtenagentur dpa. Bei Suhrkamp sind nach Verlagsangaben noch 17 Titel des Autors auf Deutsch lieferbar.