„Ort der Zuflucht“ Syrerin erste Brandenburger-Tor-Schreiberin

Berlin (dpa) - Sie wollte, dass ihre Kinder Ward und Hakam ohne Bomben, Krieg und Gewalt aufwachsen. Deshalb floh Rasha Habbal vor drei Jahren unter Lebensgefahr aus ihrer syrischen Heimat. Jetzt ist die 35-jährige Autorin die erste, die das Stipendium Torschreiber am Pariser Platz für Schriftsteller im Exil bekommt.

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„Das Brandenburger Tor ist das Symbol für die Freiheit schlechthin“, sagt Vorstand Pascal Decker von der Stiftung Brandenburger Tor am Donnerstag bei einem Vorstellungsabend. Seine Stiftung und die ebenfalls direkt an dem Berliner Wahrzeichen gelegene Allianz Kulturstiftung haben das Programm mit dem Literarischen Colloquium Berlin ins Leben gerufen.

Damit wollten die drei Kooperationspartner auch an das Schicksal der verfolgten deutschen Schriftsteller in der NS-Zeit erinnern, die in anderen Ländern Aufnahme gefunden hätten, sagt Decker. „Heute soll Berlin ein Ort der Zuflucht und der Sicherheit für bedrohte und verfolgte Schriftsteller sein.“

Für Rasha Habbal war es ein langer, schmerzhafter Weg bis zum Brandenburger Tor. Ihre Heimatstadt Hama war als ein Zentrum der Proteste im syrischen Bürgerkrieg besonders umkämpft. Als die gelernte Wirtschaftswissenschaftlerin 2015 mit ihrem jüngeren Sohn heimlich flieht, will sie ihren Mann und den damals zehnjährigen Hakam möglichst bald in ein sicheres Zufluchtsland nachholen. Aber alles kommt anders.

Zwei Monate dauert allein ihre Reise mit dem siebenjährigen Ward. Teilweise kommen sie nur in Nachtmärschen weiter, in Ungarn werden sie verhaftet und landen schließlich in Deutschland - es ist das einzige Land, das überhaupt noch Flüchtlinge aufnimmt.

Doch Habbal bekommt nur eine einjährige Duldung. Wegen der jetzt in den Koalitionsgesprächen so umkämpften Aussetzung des Familiennachzugs darf die andere Hälfte der Familie nicht folgen. Vater und Sohn machen sich ihrerseits auf die Flucht. „Diese Tage der Ungewissheit waren für mich schlimmer als die ganzen zwei Monate, die ich unterwegs war“, erzählt Habbal in einem Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur.

Sie landet in Trier, schläft zunächst in einem Camp unter freiem Himmel, lange in einem Zelt und dann mit vier anderen Flüchtlingsfamilien in einer Wohnung, bis sie schließlich eine eigene Bleibe findet. Auch auf den Deutschkurs muss sie länger als ein Jahr warten. „Dabei wollten wir so gern lernen und uns einbringen, aber alles lag brach.“

Um das Stipendium hat sich die Autorin mit einem Text beworben, der von ihrer Abreise aus Syrien erzählt. „Am frühen Morgen jenes Tages wusste ich noch nicht, dass mein Leben die Tür hinter sich geschlossen und den Schlüssel unwiederbringlich verschluckt hatte“, schreibt sie da.

Mehr als drei Dutzend Exilautoren haben sich um das neue Stipendium beworben. Doch die Jury hielt laut ihrem Vorsitzenden und Mitinitiator Thomas Sparr Habbals Romanprojekt für besonders vielversprechend. Mit 2000 Euro im Monat kann sie sich jetzt ein halbes Jahr ganz der Arbeit widmen - im April und Mai zunächst im Literarischen Colloquium mit seinem Gästehaus am Wannsee, den Rest „daheim“ in Trier.

„Das ist eine wunderbare Möglichkeit, hier meinen Weg als Schriftstellerin zu finden“, sagt Habbal. Sie schreibt auf Arabisch und ist bisher vor allem als Lyrikerin bekannt. Ein breit angelegter Roman über die Lebenbedingungen im deutschen Exil ist deshalb auch formal für sie Neuland. „Zum ersten Mal habe ich dadurch die Chance, auch mal innezuhalten und zu schauen, was durch all diese Erfahrungen eigentlich mit mir selbst passiert ist.“

Und wie sieht sie die Zukunft? Hofft sie auf eine Rückkehr nach Syrien? „Wenn ich auf mein Herz höre - sofort“, sagt sie. „Aber wenn ich drüber nachdenke, bin ich unsicher. Man kann ja nicht alle zehn Jahre ein neues Leben anfangen.“