Tod mit 85 Jahren US-Schriftsteller Philip Roth gestorben

New York (dpa) - „Reine Ausgelassenheit und tödlicher Ernst sind meine besten Freunde.“ Misst man Philip Roths literarisches Schaffen an diesem Satz, waren es zwei tiefgründige und langjährige Freundschaften, die er in seinem Schreiben pflegte.

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Titel um Titel vergrößerte er sein fünf Jahrzehnte überspannendes Lebenswerk. Vielen galt er als bester lebender Schriftsteller, zumindest als bester Amerikaner.

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Nun starb Roth mit 85 Jahren in einem Krankenhaus in Manhattan an Herzversagen, wie Judith Thurman, eine enge Freundin Roths, der „New York Times“ am Dienstagabend (Ortszeit) sagte.

Die britische BBC kommentierte schlicht: „Sein Tod stellt das Ende einer ganzen Ära der amerikanischen Literatur dar.“ Fans und Kollegen betrauerten den Tod des Autors. „Ruhe in Frieden, lieber Prinz von Newark“, twitterte etwa die Schauspielerin Lena Dunham. „Wir haben so viel Glück, dass er uns einen so großen Stapel Bücher hinterlassen hat.“

27 Romane veröffentlichte Roth, zeitweise einen pro Jahr, dazu Sachbücher, dutzende Novellen, Kurzgeschichten, Essays und Interviews. Der 2010 in den USA erschienene Roman „Nemesis“ blieb sein letzter, aber schon lang vorher ließ sich das literarische Kaliber Roths bemessen: Als die „New York Times“ ihre Leser 2006 nach den besten amerikanischen Romanen der vergangenen 25 Jahre fragte, schafften es sechs von Roths Titeln auf die Liste - aus insgesamt 29.

Entsprechend groß war der Schock, als Roth 2012 seinen Ausstieg aus dem Literaturbetrieb ankündigte. „Der Kampf mit dem Schreiben ist vorbei“, hatte er sich damals auf einen gelben Zettel geschrieben und auf seinen Computer geklebt. „Jeden Morgen schaue ich auf diesen Zettel, und das gibt mir sehr viel Kraft“, sagte er. Dass es nicht genug Lesestoff gebe, um Roths Ruhestand zu verkraften, konnten Fans angesichts der Fülle an Werken jedenfalls nicht behaupten.

Mit jedem seiner Romane, die aus Roth nur so herauszusprudeln schienen, präzisierte er seine Stimme weiter, füllte die Zeilen mit Sarkasmus, Humor und Melancholie. Er wechselte die Themen und war doch immer wiederzuerkennen. Zu seinen erfolgreichsten Titeln zählen die Roman-Trilogie „Der Ghostwriter“, „Zuckermans Befreiung“ und „Die Anatomiestunde“, aber auch „Sabbaths Theater“, „Amerikanisches Idyll“ und „Der menschliche Makel“.

Und obwohl Roth wieder und wieder begeisterte: Das eine ganz große Werk, den einen Klassiker, schrieb er nicht. Erst im Rückblick wurde klar, dass Roth eben durch die Summe seiner hervorragenden Bücher zu den großen Schreibern wurde. Mehrere wurden verfilmt. „Roth ist der größte Schriftsteller unserer Zeit“, schrieb der „Guardian“ schon 2009, und ließ dafür auch Roths größte amerikanische Zeitgenossen wie Cormac McCarthy, John Updike und Don DeLillo links liegen.

Den Nobelpreis für Literatur hatte Roth aus Sicht vieler Fans deshalb eigentlich sicher, ihnen blieb die Nachricht über die Auszeichnung anderer Autoren - vor allem der Amerikaner Toni Morrison 1993 und Bob Dylan 2016 - im Halse stecken. „Der wahre Skandal an Patrick Modianos Nobelpreis-Gewinn ist, dass Philip Roth ein gewaltiger Verlierer ist - schon wieder“, schrieb der „Guardian“ etwa 2014. Aus den wiederholten Pleiten des „seit 50 Jahren stehenden Titans“ habe sich ein regelrechter Gag entwickelt. Alle anderen wichtigen Preise der Literaturwelt hatte Roth schließlich schon mit nach Hause genommen.

In Newark, von New York aus auf der anderen Seite des Hudson River gelegen, erinnert ein Straßenschild an den Schriftsteller, der im zweiten Stock eines Schindelhauses in der Summit Avenue Nummer 81 aufwuchs. Der Sohn jüdischer Einwanderer aus ärmlichen Verhältnissen genoss die Sommer am Strand von New Jersey, verfolgte Baseballspiele hinter seiner Grundschule, führte Freundinnen ins Kino aus und traf seine Jungs zum Pastrami-Sandwich im örtlichen Diner. Viele von Roths Romanen spielen in diesem Newark seiner Jugend.

„Nein, die eigene Geschichte ist keine abzulegende Haut - sie ist unausweichlich, Körper und Blut“, schreibt Roths wiederkehrende Figur Nathan Zuckerman in „Die Prager Orgie“. „Man pumpt sie heraus bis man stirbt, mit den Themen des Lebens geäderte, stets wiederkehrende Geschichte, die zugleich deine Erfindung und die Erfindung deiner selbst ist.“ Philip Roth erfand seine Geschichten - und sie erfanden ihn (mit Blick auf sein Alter Ego Zuckerman bestand er allerdings darauf, dass seine Romane nicht autobiografisch seien).

„Ich bin 83 und habe keine Erben“, sagte Roth der „New York Times“, als er seinen Ruhestand verkündete. So spendete er 2016 auch seine rund 4000 privaten Bücher an die Bibliothek in Newark, nachdem sie jahrelang Regale in seinem Haus auf einer Farm in Connecticut gefüllt hatten. Dort verbrachte der eher zurückgezogen lebende, zweifach geschiedene Autor viel Zeit, dort schrieb er seine aufrichtigen, amerikanischen Sätze, wie diesen aus „Amerikanisches Idyll“: „Das Leben ist nur eine kurze Zeitspanne, in der man lebendig ist.“