Was Harry zum Zaubern braucht
Märchen:Joanne K. Rowling beschert den Potter-Fans neue Lektüre.
Düsseldorf. Bescheidenheit gehörte noch nie zu seinen Stärken: Albus Dumbledore, verstorbener Leiter der Zauberschule Hogwarts, kann sich in seinen Kommentaren zu den "Märchen von Beedle dem Barden" einige Bemerkungen über sein grenzenloses Zauberwissen nicht verkneifen. Bei Potter-Fans stellt sich da ein vertrautes Schmunzeln ein, das man lange vermisst hatte.
Joanne K. Rowling schafft es eben auch, einem kleinen Sternchen in ihrem Potter-Universum riesige Strahlkraft zu verleihen. Denn einmal mehr zeigt sich mit dem Märchen-Band für Zauberer, wie perfekt diese Welt zu Ende gedacht ist - obwohl wir das entscheidende "Märchen von den drei Brüdern" schon im letzten Potter-Band fanden. Das handelt von den drei "Heiligtümern des Todes", die Harry Potter auf die richtige Spur im Kampf gegen Voldemort bringen.
Potters beste Freundin Hermine hat das Buch freundlicherweise aus den uralten Runen übersetzt. Und Professorin Minerva McGonagall, derzeit Schulleiterin in Hogwarts, hat - gütig, wie sie trotz aller Strenge ist - die Erlaubnis erteilt, Dumbledores Anmerkungen im Band abzudrucken. So kommen jetzt also auch Muggel (Menschen, die nicht zaubern können) in den Genuss dieser Märchen. Denn Beedle der Barde ist für Ron Weasley und andere Zaubererkinder das, was für uns die Gebrüder Grimm sind.
Muggel lernen den "hüpfenden Topf" kennen, den "Brunnen des wahren Glücks" und endlich auch "Babbity Rabbity". Wir erinnern uns: Ron hatte sich einst furchtbar über Hermine lustig gemacht, weil sie noch nie etwas über die zaubernde Waschfrau "Babbity Rabbity" gehört hatte. Rowling lehnt sich gekonnt an die Tradition des Märchenerzählens an, arbeitet mit Variation und Wiederholung und zitiert Goethe, Poe und Carroll.
Das ist wunderbar amüsant, nur leider sehr schnell vorbei. Die Märchen sind sehr kurz. Das ist man als Potter-Fan nicht gewöhnt: Nach einer guten halben Stunde ist es mit Seite 106 aus, vorbei. Auch der letzte Potter-Strohhalm ist aus den Händen geglitten. Ein bisschen enttäuschend auch, dass Dumbledore sich mit seinen Kommentaren zum "Märchen von den drei Brüdern" sehr zurückhält.
Er hat nämlich beim Schreiben viel mehr gewusst, als er in den Texten offenbart. Mit fast wissenschaftlicher Betrachtung schreibt er zum Beispiel über den Elderstab, einen Zauberstab, der mächtiger sei als alle anderen. Dabei ist er selbst zu diesem Zeitpunkt höchstselbst rechtmäßiger Besitzer ebendieses Zauberstabes gewesen.
Joanne K. Rowling erklärt dies so: Dumbledore habe sich an den Spruch gehalten, den er bereits Harry Potter mit auf seinen Kampf gegen das Böse gegeben habe: Die Wahrheit sei "etwas Schönes und Schreckliches und sollte daher mit größter Umsicht behandelt werden".