„1848“: Kartoffel-Revolution im Berliner Grips Theater
Berlin (dpa) - Jeden Morgen legt Frieder seiner Jette drei Kartoffeln vor die Wohnungstür - damit die 15-Jährige in diesen Hungerzeiten besser über die Runden kommt.
Mit „1848 - Die Geschichte von Jette und Frieder“ bringt das Berliner Grips Theaters erstmals Klaus Kordons Roman über die blutig niedergeschlagene Deutsche Revolution auf die Bühne.
Es war eine Zeit, in der es in der Stadt Berlin mit ihren krassen Gegensätzen zwischen Arm und Reich brodelte. Hunger, ärmlichste Wohnverhältnisse, Krankheit und Arbeitslosigkeit bestimmten den Alltag der sogenannten kleinen Leute - und die auch nach Demokratie und Meinungsfreiheit hungernden Menschen zogen schließlich protestierend zum Schloss von Preußen-König Friedrich Wilhelm IV..
Der preisgekrönte Theaterautor Thilo Reffert („Nina und Paul“, „Leon und Leonie“) hat aus dem mehr als 500 Seiten starken Roman von Kordon („Krokodil im Nacken“) eine knapp zweieinhalbstündige Bühnenfassung gemacht. Herausgekommen ist ein modernes, eher Grips-untypisches Stück, in dem die Schauspieler auch immer wieder aus ihren Rollen heraustreten und das Publikum direkt ansprechen, um auf Parallelen zu heutigen Krisen aufmerksam machen.
Denn Reffert legt Wert darauf, Verbindungen zur Gegenwart knüpfen. „Man braucht ja nur die Nachrichten zu schauen - Konflikte werden auch heute noch mit Gewalt ausgetragen“, sagt der Autor und verweist zum Beispiel auf die gewaltsame Reaktion der Staatsgewalt auf die Demonstrationen im Istanbuler Gezi-Park.
Die jeden Tag teurer werdenden Kartoffeln sind es dann auch, die dem 17-jährigen Zimmermannsgesellen Frieder (Paul Jumin Hoffmann) zum Verhängnis werden. Eines Morgens findet Jette (Maria Perlick) keine Kartoffeln vor der Tür. Bei einer Demonstration gegen den König und die immer weiter steigenden Nahrungsmittelpreise ist Frieder festgenommen worden. „Ich bin keiner von den Politischen“, schreit Frieder. Aber: „Kartoffeln sind Politik!“, wie es Frieders Kumpel ausdrückt. Und so landet Frieder als vermeintlicher Aufrührer für acht Monate im Gefängnis.
Regisseur Frank Panhans inszeniert das Stück auf dem Stadtplan von Berlins historischer Mitte (Bühne und Kostüme: Jan A. Schroeder), wo damals die Barrikaden der Revolutionäre standen. Wenn die Aufständischen zum Volk und zum Theaterpublikum sprechen, geht es auch um heutige Hartz-IV-Verhältnisse, Konsumterror, Klimawandel, das Recht auf Bildung und auf Wohnen.
Überzeugender als die politischen Thesen sind oft die sprachlichen und musikalischen Mittel, mit denen sich Vergangenheit und Gegenwart überlappen. Marsch- und Drehorgelmusik oder ein „Hungerlied“ von damals mischen sich mit Rap (Musik: Stefan Faupel). Jettes als Prostituierte arbeitende Schwester Guste (Alessa Kordeck) spricht von ihrem „Fritze-Kind“, ihren „Plünnen“ (Klamotten) und davon, dass viele Frauen „dem Hausherrn das Bett wärmen“ müssen und dann ungewollt schwanger werden - wie sie selbst.
Uraufführung von „1848 - Die Geschichte von Jette und Frieder“ ist am Dienstagabend. Zielgruppe sind Jugendliche ab 13 Jahren und Erwachsene.