Hersfelder „Maria Stuart“: Drama mit Gegenwartscharakter
Bad Hersfeld (dpa) - Klassik trifft Moderne: Friedrich Schillers Trauerspiel „Maria Stuart“ mit seiner Handlung im 16. Jahrhundert ist zwar alt, für Intendant Holk Freytag ist es ein Dauerbrenner von anhaltender Aktualität.
Das gewaltige Historienspiel lese sich auch wie ein Kommentar zu allen diplomatischen Konflikten dieser Tage, sagte er als Regisseur des Stücks, mit dem am Freitagabend nach einem Festakt die 64. Bad Hersfelder Theater-Festspiele eröffnet wurden.
Die bis zum 3. August laufende Spielzeit des traditionsreichen Freilicht-Theaterfestivals im Nordosten Hessens stellt Freytag unter das Motto „Macht und Menschlichkeit“. „Maria Stuart“ sei ein Stück über Herrschaft. „Es legt die Mechanik von Politik und Macht bloß“, erklärte er und sieht darin „eines der erfolgreichsten Stücke der Klassik überhaupt“.
Das Drama dreht sich um Macht, Intrigen, Verrat, einen Religionskonflikt und auch Liebe. Im Zentrum stehen zwei starke Frauen als Rivalinnen. Gerit Kling und Marie Therese Futterknecht in den Hauptrollen begeisterten das Publikum in einer überzeugenden Inszenierung. 1200 Zuschauer spendeten dem stimmig besetzten Ensemble langen Applaus für ihre zweistündige Vorstellung auf der Freilicht-Bühne der Stiftsruine.
Kling schlüpft gekonnt in die Rolle der englischen Monarchin Elisabeth; Futterknecht zeigte einen ausdrucksstarken Auftritt als schottische Königin Maria Stuart, Widersacherin Elisabeths. „Beide Rollen sind sehr schwer zu spielen“, sagte Freytag und besetzte diese Schlüsselfiguren mit erfahrenen Schauspielerinnen. In weiteren Rollen hinterließen Stephan Ullrich (Leicester) und Markus Gertken (Burleigh) aus dem Beraterstab der Elisabeth sowie Maria Stuarts Verehrer Fabian Baumgarten (Mortimer) einen guten Eindruck.
Freytag konzentriert sich auf das Wesentliche und setzt in seiner dialoglastigen Inszenierung ganz auf die Kraft des Textes. „Holk ist ein großer Verfechter des Wortes, es ist mit großer Wortkunst sehr genau am Text gearbeitet worden“, erklärte Kling. Das hatte zur Folge, dass die Inszenierung wenig optische Glanzlichter zu bieten hatte. Das puristische Bühnenbild blieb übersichtlich und bestand meist nur aus einigen Stühlen. Auch in dieser Hinsicht vertraute Freytag voll und ganz auf die Strahl- und Aussagekraft der Stiftsruine, der größten romanischen Kirchenruine der Welt.
Auch beim Kostümbild dominiert Moderne statt Altertum. Die kühle Königin mit ihrem eisigen Blick trägt einen schwarzen Hosenanzug im Manager-Look. Das sie umgebende Trio des Thronrats bevorzugt Anzüge mit englischem Chic. Angesichts dieser optischen Nüchternheit wirkt der französische Gesandte, Graf Aubespine, der eine Vermählungsofferte überbringt, wie ein schrilles Karl-Lagerfeld-Duplikat. Hans-Christian Seeger sorgt mit Sonnenbrille, Zopf, Lackstiefeln und einem gekünsteltem Akzent für leichte Unterhaltungsspitzen.
Ernst ist es aber Freytag mit der Intention des Stücks: „Menschen vertreiben und töten andere Menschen, erheben sich über andere und greifen bereitwillig zur brutalsten Form der Auseinandersetzung, zum Krieg. Seit Jahrtausenden befindet sich die Menschheit im Kreislauf der Gewalt.“ Die vornehmste Aufgabe des Theaters sei es, dagegen aufzubegehren. Das erste Statement der Festspiele zu „Macht und Menschlichkeit“ ist gegeben. „Die Stücke in dieser Festspielsaison reflektieren in mannigfaltiger Weise den Umstand, dass Menschen sich über andere Menschen erheben“, erläuterte Freytag.