Neuanfang Festspiele nehmen Wedel-Stück aus dem Programm

Bad Hersfeld (dpa) - Wo sonst Dieter Wedel im Blitzlicht-Gewitter für die Fotografen posiert hat, steht am Montag ein anderer in der Stadthalle von Bad Hersfeld - lächelnd, aber doch angespannt: Joern Hinkel, bisher Stellvertreter, hat die Aufgabe des Intendanten der Festspiele übernommen, nachdem Wedel nach schweren Vorwürfen sexueller Übergriffe zurückgetreten war.

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Eine seiner ersten Amtshandlungen: Hinkel muss verkünden, dass die Festspiele das für den Sommer geplante Stück von Dieter Wedel aus dem Spielplan genommen haben.

Der „neue Wedel“ sollte „Das Karlos-Komplott“ heißen. Angelehnt an den Klassiker von Friedrich Schiller schrieb der bekannte Filmemacher („Der Schattenmann“, „Der König von St. Pauli“) das Buch. Er sollte auch Regie führen. Warum daraus nichts wird, begründet der neue kommissarische Intendant so: „Das Stück hätte nach all den Ereignissen der letzten Wochen wohl kaum die Chance einer objektiven und rein künstlerischen Betrachtung.“

Es habe nichts damit zu tun, dass man Wedels Arbeit nicht mehr wertschätze, sagt Hinkel und fügt hinzu: „Ein Wedel ohne Wedel ist eigentlich nicht machbar.“ Er sei seinem einstigen Lehrmeister dankbar, dass dieser ihn bestärkt habe, in seine Fußstapfen zu treten.

Die Festspiele wollen am Montag vor allem das Zeichen setzen: keine Panik, es geht geordnet weiter. Über Wedel wird nur zu Beginn der Pressekonferenz gesprochen - mit großer Dankbarkeit für die geleistete Arbeit seit seiner Amtsübernahme im Herbst 2014. Die massiven Vorwürfe gegen Wedel sind kein Thema. Schauspielerinnen hatten schwere Anschuldigungen gegen ihn erhoben, die von Schikane und Machtmissbrauch bis hin zu sexuellen Übergriffen und Vergewaltigung reichen. Wedel hat die Vorwürfe zurückgewiesen. Die Münchner Staatsanwaltschaft ermittelt wegen einer möglicherweise nicht verjährten Sexualstraftat gegen Wedel.

Aus seinem Umfeld ist zu hören, dass sich Wedel weiterhin in ärztlicher Behandlung befinde. Der Regisseur kam vor mehr als einer Woche mit Herzbeschwerden ins Krankenhaus. Am 22. Januar hatte er seinen Rücktritt als Chef der Festspiele verkündet, denen er in vergangenen Jahren zu großen Erfolgen mit Zuschauer-Rekorden, Glamour Und viel medialer Aufmerksamkeit verholfen hatte.

Die Festspiele sollen nun am 6. Juli mit dem Stück „Peer Gynt“ von Henrik Ibsen eröffnet werden. Wer die Premiere inszeniert, ist noch unklar. Aber es sei ein Stoff, der schon mal sehr gut auf die große Bühne der Stiftsruine passe. „Peer Gynt ist ein zeitloses, sinnliches, von Fantasie und schillernden Figuren überbordendes Stück, ein Theaterfeuerwerk voller Wärme und Humor, in dessen Mittelpunkt ein charmanter Lügner steht, ein Verführer und Aufschneider“, erklärt Hinkel. Es sei ein Stück über Selbstüberschätzung und mangelnde Verantwortung, aber auch über Welt- und Wirklichkeitsflucht.

Der bisherige Stellvertreter Hinkel soll die Chef-Position vorläufig bis zum Saisonende bekleiden. Wer dann die Verantwortung übernehmen wird, entscheidet sich erst in einigen Monaten. Der Magistrat der Stadt will auch das Land Hessen und den Bund einbeziehen. Einen Zeitplan gebe es nicht, sagte Bürgermeister Thomas Fehling (parteilos), der Hinkel die volle Rückendeckung zusicherte.

Für Hinkel, den 47-jährigen Berliner, ist es nun die größte Herausforderung seiner Karriere, die zuletzt viele Jahre mit dem Namen Wedel verbunden war. Er war schon als Schauspieler tätig, drehte Kurz- und Dokumentarfilme und inszenierte zahlreiche Opern und Theaterstücke - darunter auch die beiden Stücke „Sommernachtsträumereien“ und „Krabat“ in Bad Hersfeld.