Satirisches Ballett „Die sieben Todsünden“ von Pina Bausch in Wuppertal
Wuppertal (dpa) - Ein Eigenheim, das ist der Traum der Familie, und dafür muss Anna anschaffen gehen. Das geblümte Kleid tauscht sie gezwungenermaßen gegen eine aufreizende Bluse und einen engen Rock.
Im Tanzstück „Die sieben Todsünden“ von Pina Bausch aus dem Jahr 1976 wird die Schlange der Freier, alles Anzugträger, lang und länger, die ausgebeutete Anna aber stumm und apathisch.
Am Sonntagabend hat das Tanztheater Wuppertal Pina Bausch das satirische Ballett mit Texten von Bertolt Brecht und Musik von Kurt Weill in einer neuen Einstudierung herausgebracht. Begleitet vom langen Applaus einer großen Fangemeinde.
Bald neun Jahre nach dem Tod der weltbekannten Choreographin wechseln in der Tanztruppe die Rollen. Die Figur der Anna tanzt überzeugend und herzerweichend Stephanie Troyak, die erst seit 2017 im Ensemble ist. Etwa die Hälfte der rund 30-köpfigen Kompanie ist in den vergangenen Jahren neu dazugekommen.
Das Tanztheater ist in Nordrhein-Westfalen ein bewährter und gefeierter Kulturexport. Die Kompanie wird vom Land gefördert, derzeit mit jährlich 1,2 Millionen Euro. Das Ensemble ist mehr in der Welt unterwegs als zu Hause. Im Herbst waren die Tänzer in New York und Kanada. Im Februar geht es mit dem 1986 uraufgeführten Stück „Viktor“ ins Sadler’s Wells Theater nach London. Einen Monat später reist die Truppe nach Taiwan.
Seit dem vergangenen Jahr hat die Kulturmanagerin Adolphe Binder die künstlerische Leitung. Unter ihrer Intendanz geht es auch darum, neben das berühmte Repertoire von Pina Bausch neue Kreationen zu stellen. Im Mai und Juni stehen solche Übergänge an: Der griechische Maler und Choreograph Dimitris Papaioannou und der Norweger Alan Lucien Øyen bringen mit der Kompanie jeweils eigene Uraufführungen heraus.
Geplant ist auch ein Pina-Bausch-Zentrum in Wuppertal, an dem sich der Bund mit fast 30 Millionen Euro beteiligt. Dort soll ein Archiv sowie ein Arbeitsort für das Ensemble und andere Tanz-Künstler entstehen. Unklar ist noch, wer für die Betriebskosten aufkommt.
Als Pina Bausch 1973 als Choreographin anfing, wurde ihr modernes, mit dem klassischen Ballett brechendes Tanztheater durchaus angefeindet. „Es war keine Liebe auf den ersten Blick“, erinnert Kulturdezernent Matthias Nocke. Heute versteht sich die gebeutelte Industriestadt auch als Tanzstadt. Die berühmte Künstlerin ist ihrer „Werktagsstadt“ immer treu geblieben. 46 Stücke hat das Tanztheater im Repertoire.
Tänzer, die teils seit Jahrzehnten dabei sind und die Stücke von Anfang an kennen, sind wichtig. Durch die Kontinuität gebe es großes Wissen und künstlerische Inspiration, berichtet Intendantin Binder. „Das ist ein sehr, sehr kostbares Gut und ist mit keiner anderen Tanzkompanie in der Welt zu vergleichen.“
In den „Sieben Todsünden“, dem Stück über Sex und Ausbeutung, bringen die vermeintlich Alten viel Schwung rein. Jo Ann Endicott etwa hat schon 1973 bei Pina Bausch getanzt und genießt sichtlich die Rolle der schrillen Diva. „Hier sind alte Kollegen, junge Kollegen und ich“, kräht sie frech ins Publikum - und bekommt gleich warmen Applaus.