Letzte Inszenierung Abschied von der Voksbühne: Jubel für Frank Castorf

Berlin (dpa) - Der zum Ende dieser Spielzeit scheidende Intendant Frank Castorf hat mit „Ein schwaches Herz“ am Donnerstagabend seine letzte Inszenierung an der Berliner Volksbühne vorgestellt.

Foto: dpa

Zum Abschluss seiner 25-jährigen Zeit als Chef des Theaters wandte er sich - nach Erfolgsinszenierungen wie „Der Idiot“ und „Der Spieler“ - noch einmal seinem Lieblingsautor Fjodor M. Dostojewski zu. Dessen Erzählungen „Das schwache Herz“ und „Bobok“ sowie Michail Bulgakows Satire „Iwan Wassiljewitsch wechselt den Beruf“ verwob er zu einem assoziationsreichen Kaleidoskop über die Unerreichbarkeit dauerhaften Glücks.

Clou der Aufführung und zugleich Schwachpunkt: Die Trennung von Zuschauern und Akteuren ist nahezu aufgehoben. Das Publikum sitzt auf riesigen Kissen im leeren Zuschauerraum und auf der Bühne. Von dort zieht sich wie eine Schneise eine Reihe von Stühlen, Betten, Tischen, Lampen und Türimitationen durch den ganzen Raum. Die Nähe von Künstlern und Theaterbesuchern ist reizvoll. Gleichzeitig aber sorgt sie dafür, dass keinerlei Theaterzauber entstehen kann. So hat der Abend oft einen Werkstattcharakter.

Verstärkt wird dieser Eindruck dadurch, dass einer der Hauptdarsteller wenige Tage vor der Premiere ausgefallen und ein anderer kurzfristig eingesprungen ist. Die Souffleuse ist im Großeinsatz. Und noch ein Problem: Wer die literarischen Vorlagen nicht kennt und mit dem oft improvisiert anmutenden Regiestil von Frank Castorf (65) nicht vertraut ist, hat kaum eine Chance, das Geschehen zu verstehen. Da helfen dann auch die vielen großformatigen Live-Video- und Filmeinspielungen nichts.

Eine durchgehende Geschichte wird nicht erzählt. Zahllose Szenen, oft lange Monologe, beschwören die Unmöglichkeit jedweder Glücksversprechungen. Die vorgeführten Figuren trauen sich selbst nicht, an ein Lebensglück zu glauben. Ob Angestellter oder Wissenschaftler, Dieb oder Hutmacherin, Schauspielerin oder Lebemann: sie alle haben kein Selbstvertrauen und kommen deshalb in einer für sie unverständlichen Welt voller menschlicher und technischer Probleme nicht zurecht.

Für Castorf-Verhältnisse fällt der mit Volksbühnen-Stars wie Kathrin Angerer, Jeanne Balibar, Frank Büttner und Georg Friedrich prominent besetzte Abend recht kurz aus: Er dauert lediglich vier Stunden ohne Pause. Einige Zuschauer verließen die Premiere dennoch vorzeitig. Der Großteil aber blieb und applaudierte am Ende kräftig. Als sich Frank Castorf verbeugte, ging ein regelrechter Beifallssturm los. Der Applaus und der Jubel galten wohl eher ihm selbst als der Inszenierung.

Die Intendanz von Frank Castorf endet im Sommer mit dem Antritt des Museumsmanns Chris Dercon als neuem Leiter des Theaters. Castorf wird in Zukunft als freischaffender Regisseur arbeiten. Geplant ist beispielsweise jährlich eine Inszenierung am Berliner Ensemble unter dem neuen Intendanten Oliver Reese. Als erstes will Castorf dort im Dezember seine Version von Victor Hugos Drama „Les Misérables“ („Die Elenden“) vorstellen.