Am gerollten „R“ liegt es nicht allein
Mireille Mathieu und Howard Carpendale sangen in Düsseldorf.
Düsseldorf. Hätte sie doch besser die Tonhalle gewählt. Dort hätte Mireille Mathieu vor fast ausverkauftem Haus gesungen. Doch in der Philipshalle vermögen die knapp 1.000 Besucher am Freitag mit zunächst dünnem Applaus und den zu Beginn verstimmten Streichern der Begleitband kaum Stimmung zu erzeugen. La demoiselle Mathieu setzt den Widrigkeiten aber 45 Jahre Bühnenerfahrung und die eiserne Professionalität ihrer 63 Jahre entgegen.
Das eröffnende "Hinter den Kulissen von Paris" schmettert sie mit in die Ferne gerichtetem Blick, genau wie sie den Applaus mit Verbeugungen in die imaginären Ränge entgegennimmt. Das hat Anmut und Größe. Schon nach dem zweiten Song "Martin" werde Blumen auf die Bühne gereicht. Strauß um Strauß sammelt die Grande Dame des Schlagers in den zwei Stunden ein, bedankt sich artig mit "Schönes Blumen".
Wie die charmant individualisierte Grammatik sind alle anderen Ingredienzien ihres Erfolges präsent: die prägnante Stimme, das weite Vibrato, das gerollte "R" und natürlich der Pagenkopf. Mit der großzügig als Orchester titulierten Begleitband singt sie die großen Erfolge von früher wie "Mir geht es gut", "Akropolis Adieu" und "An einem Sonntag in Avignon". Die Stimmung im Saal und bei den Streichern bessert sich deutlich, am Ende geben wir für Nostalgie und Ausstrahlung "douze points" (12 Punkte).
Da erwischt Howard Carpendale am Samstag den besseren Start. Als er die Bühne der recht gut gefüllten Philipshalle betritt, reißt es alle von den Stühlen. Im Jackett steht er da, die stattlichen Rundungen soll ein Schal überspielen. Zu dröhnenden Beats und Synthesizerklängen singt er Lieder seines Albums "Stark".
"Mittendrin und noch immer nicht genug", schmettert der 64-Jährige. "Howie" bewegt sich kaum, rollt das "R", schnippt mal mit dem Finger, auch so fliegen dem gebürtigen Südafrikaner die Sympathien zu - von den vielen Frauen im Parkett und den Männern, die diese Frauen begleiten.
Eigentlich hatte der Schlagerstar seine Karriere 2003 beendet. 2007 kehrte er jedoch auf die Bühne zurück und will seitdem gar nicht mehr weg. Dass er noch der Alte ist, beweist Carpendale nach einer Verschnaufpause. In schwarzer Partyjacke mit vielen Schnallen tritt er vors Publikum - "Let me entertain you" schallt es aus den Boxen.
Carpendale lässt es krachen, stimmt Hit auf Hit an, nimmt die Rosen seiner Fans entgegen. Selbstironie kann er auch: Beim Bierzelt-Kracher "Alice" parodiert er sein Idol Elvis Presley. Für diese Extraportion Schmalz und das gesamte Konzert erntet er verdienten Beifall.