Auf den Spuren von Simon Rattle

Klassik: Andris Nelsons und Orchester aus Birmingham begeistern.

Düsseldorf. Er tritt zunächst bescheiden auf, der 31-jährige Dirigent Andris Nelsons. Er wirkt etwas wie ein Musikstudent, der sich nur selten der Sonnenbestrahlung aussetzt. Doch sobald er den Taktstock hebt, verwandelt sich der junge Lette in einen charismatischen Pultmagier, der alle orchestralen Fäden in der Hand hält. Zu solchem Orchesterzauber finden nur Ausnahmetalente vom Kaliber eines Karajan oder Furtwängler. Kein Wunder, dass Nelsons derzeit international einen kometenhaften Aufstieg erlebt. Die großen Orchester reißen sich um den Künstler - von den Wiener Philharmonikern bis zum Orchester der Bayreuther Festspiele. Beim diesjährigen Wagner-Spektakel dirigiert er die Premiere des "Lohengrin".

Seit 2008 ist Nelsons Chefdirigent des City of Birmingham Symphony Orchestra, mit dem vor vielen Jahren auch Simon Rattle Weltruhm erlangte. Nun gastierte Nelsons mit seinem britischen Orchester beim Heinersdorff-Meisterkonzert in der Düsseldorfer Tonhalle mit Igor Strawinskys "Feuervogel" und Peter Tschaikowskys Violinkonzert. Die beiden berühmten, oft aufgeführten Werke bekamen unter Nelsons’ Leitung eine zusätzliche Dimension. Nichts klang abgedroschen, sondern wie neu geboren.

Für Nelsons scheint es in den Partituren keine Nebensächlichkeiten zu geben. Jedem Takt misst er Bedeutung bei. Die Orchestermusiker betrachtet er dabei nicht wie bloße Erfüllungsgehilfen, sondern behandelt sie wie gleichwertige Partner. Er lächelt oft aufmunternd ins Orchester, wendet sich freundlich den Instrumentalgruppen zu, um sie für die gemeinsame Sache zu begeistern. Diese Teamarbeit zahlt sich aus. Man merkt, dass die Musiker ihr Bestes geben.

Besondere Aufmerksamkeit widmet der Dirigent freilich der Solistin des Abends, der ebenfalls aus Lettland stammenden Geigerin Baiba Skride. Diese lässt sich voll und ganz auf Nelsons’ akribische Detailgestaltung ein, dass ein Miteinander von kammermusikalischer Feinheit entsteht. Ebenso reich an Nuancen ist die Darbietung von Strawinskys "Feuervogel". Nelsons gelingt ein Anfang von faszinierender Mystik. Und das Finale mit seinem dramatischen Showdown und glücklichen Ausgang besitzt ungeheure Sogkraft. Von Nelsons wird man noch viel hören.