Comeback: Villazóns Ringen mit Händel
Der Tenor gab nach einem Jahr Pause ein Konzert in Hamburg.
Hamburg. Er breitete die Arme aus wie einst Pavarotti, er schäkerte mit dem Publikum - der Tenor Rolando Villazón hatte schon gewonnen, bevor er den ersten Ton sang. Selbst wenn einige Noten seinem Temperament zum Opfer fielen: Villazón hat erkennbar wieder Riesenspaß am Singen.
Zwar war er zu Beginn seines Hamburger Konzerts mit Händel-Arien nervös - aber warum eigentlich? Kaum betrat er am Montag die Bühne, erhob sich ein Beifallssturm. Und der Sänger rechtfertigte die Begeisterung, wenn er auch nicht der größte Barock-Stilist ist. Aber er sang die mit Koloraturen gespickten Arien mit großer Agilität und viel Charme. Ist dies der Auftakt zu einer neuen Karriere nach Jahren mit Stimmkrisen und Absagen?
Im März hatte der Tenor als Nemorino in Donizettis "Liebestrank"an der Wiener Staatsoper sein Comeback gegeben, bereits sein zweites. Der Sänger hatte sich erstmals 2007 wegen akuter Erschöpfung zurückziehen müssen. Im Frühjahr 2009 begann die zweite, fast ein Jahr währende Auszeit, weil eine Stimmbandzyste entfernt werden musste.
Der Opernbetrieb geht eben mit seinen Talenten nicht zimperlich um. Die Schweizer Sopranistin Lisa della Casa beklagte schon vor Jahren das Prinzip, "den Saft auszupressen und die Orange wegzuwerfen". Das scheint auch das Problem Villazóns zu sein, der einmal sagte: "Ich bin nicht mehr nur Sänger, sondern ein Produkt." Dabei erkannte er die Ursache seiner Probleme durchaus - er nahm zu viele Engagements und zu schwere Rollen an: "Ich wollte alles haben. Erfolg, Spaß, überall auftreten."
Sein voluminöser Tenor mit dem weichen Timbre, das an Placido Domingo erinnert, prädestiniert ihn für die großen Rollen seines Stimmfachs wie den Don José aus Bizets "Carmen". Doch sein aktueller Kalender sieht zunächst Partien wie Nemorino, Rodolfo in Puccinis "La Boheme" und die Händel-Konzerte vor.
Händel könnte sich für Villazón als Weg aus der Krise herausstellen, wenn er der Musik auch stilistisch noch einiges schuldig blieb: So fehlten ihm oft die tiefen Töne. Dafür sang endlich ein Tenor mit kerniger Stimme die Stücke, für die sonst eher oft blässliche Oratorien-Tenöre aufgeboten werden. Vor allem blieb Villazón stimmlich innerhalb seiner Mittel, musste nicht mit zu viel Kraft singen - anders als früher, als er sich, wie der Musikkritiker Jürgen Kesting einmal schrieb, dazu verleiten ließ, "nicht mit der Stimme zu singen, die er hatte, sondern die er gerne hätte".