Düsseldorfer Schauspielhaus: „Eine Orestie“ von Aischylos

Bei Aischylos herrschte die Rache. Ein neuer Theatertext verbindet die „Orestie“ in Düsseldorf mit dem Schulderbe der Nazis.

Foto: Sebastian Hoppe

Düsseldorf. Das wollten viele der Zuschauer nicht sehen. Eine nennenswerte Zahl der Premierenbesucher kehrte nach dem ersten Teil von „Eine Orestie“ nicht zurück ins Düsseldorfer Schauspielhaus. Und verpasste damit eine der besten Szenen der Uraufführung, die Hausregisseurin Nora Schlocker mit einigen starken und zu vielen zu statischen Bildern in Szene gesetzt hat.

Orest (Ingo Tomi), der sich wie ein Krüppel auf Holzschwerter stützt, singt mit einer Truppe schriller Gestalten „Oh du lieber Augustin, alles ist hin“. Sie sind verzerrte Wiedergänger seiner Kindheit. Mutter und Vater stopfen sich Hühnerbeine in den Hals, bis sein Vater erstickt. Die Wände tränkt jemand mit Blut.

Orest ist in diesem Moment zugleich Sohn Agamemnons und Klytaimestras und Sprössling von Hans Frank, dem Schlächter von Polen. Frank hat unter Hitler als Generalgouverneur in Krakau mit seiner Familie wie ein König geherrscht, gemordet und sich bereichert. Es dauert einen Moment, bis man erkennt, dass hier Traum und Trauma, antikes Griechenland und Nachkriegsdeutschland eindrucksvoll zusammenfinden.

Aischylos’ Tragödie verschränkt Tine Rahel Völcker in ihrem für die Uraufführung geschriebenen Text mit den Erinnerungen des Sohnes von Hans Frank. Gerade zu Anfang gelingen ihr einige Übergänge, die geschickt Parallelen zwischen dem Stellungskrieg aufzeigen, den Agamemnon (Moritz Führmann) und seine Frau Klytaimestra (Stefanie Rösner) führen und den monströsen Herrschaftsfantasien des Nazis und dessen Gattin, die sich im Ghetto ihre geliebten Pelze besorgt.

Leider greifen Vorlage, Text und Regie nur selten so gelungen ineinander wie auch in dem Moment, als Agamemnon der Königin den Mantel mit blutigen Händen vom Körper reist. Zu oft stehen die Schauspieler auf einer Bühne rum, die mit Holzvertäfelung und Teppichboden wie eine Fortsetzung des Zuschauerraums wirkt. Sie behaupten eher, als dass sie spielen, wie das Trauma der Schuld die erwachsenen Kinder Orest, Elektra (Xenia Noetzelmann) und Chrysethemis (Elena Schmidt) in weitere Schuld treibt und wie qualvoll die Toten sie heimsuchen.

Wenn die Isar (Karin Pfammater) im Dirndl darüber klagt, dass sie die Asche der hingerichteten Nazis nicht will und mit dem Wort Endlager zudem noch an die Atommülldiskussion anknüpft, verliert sich die Inszenierung im Allgemeinen. Der Fallhöhe, der sich das Team Schlocker und Völcker mit ihrer Orestie aussetzen, gebührt Respekt. Doch einen zu großen Teil des Theaterabends hinweg kann ihre Geschichte sie nicht halten.